Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
käme, wenn sie es im Wald nicht mehr
aushielt. Dabei war sie im Kern kein schlechter Mensch.
Bergfeld überlegte, wen er sich
als Nächsten von den Stadtwerken vorknöpfen sollte, wenn er schon einmal dabei war.
In diesem Moment klopfte es leise an seiner Tür.
Bergfeld
hatte niemanden einbestellt. Kehrte Anja etwa noch einmal zurück, um sich bei ihm
zu entschuldigen? Natürlich fühlte er sich zu einem geringen Teil mitschuldig am
Ende der gemeinsamen schönen Zeiten. Aber nein, er durfte nicht nachgeben bei ihr.
Es war an der Zeit, dass Anja ihre Lektion für das Leben lernen musste.
Die Tür
öffnete sich. Es war seine Vorzimmerdame mit Kommissar Hansen und Oberkommissar
Stüber im Schlepptau. Bergfeld war überrascht, denn mit denen hatte er überhaupt
nicht gerechnet.
Dabei beunruhigte Bergfeld nicht
die Tatsache des Besuchs dieser beiden Herren an sich, sondern die Handschellen,
die ihm der Kollege von Kommissar Hansen baumelnd vor die Nase hielt.
Dem entschlossenen
Blick von Kommissar Hansen konnte Bergfeld entnehmen, dass ihm nichts übrig blieb,
als seine beiden Hände nach vorn zu strecken. Er fühlte sich überrumpelt, und das
metallische Klicken der Handschellen tat ihm körperlich weh.
Sollte er dieses Spiel auf der Schlossallee
noch verloren haben?
Unter Geiern
Das Altonaer Schanzenviertel in
Hamburg zeigte sich heute wieder einmal von seiner freundlichen Seite. Das Wetter
war angenehm warm, und vor den vielen Kneipen saßen fröhliche Menschen auf den Terrassen
und genossen das Flair des alternativen Stadtviertels. Die Warnung des Monarchen
vor diesem Schafrott verlor zunehmend an Wirkung.
Die hölzerne
Werbeschrift ›Amazonas‹ über der Eingangstür der Bar wurde von drei tanzenden Affen
gehalten. Auch wenn die Scheiben ein wenig verdreckt waren und es keine Außenplätze
gab, würde Olli als Schanzenkind dort sicherlich unbehelligt hineingehen können,
um sich einen Blick von der Lage zu verschaffen.
Er betrat
die Bar. Ein toter Laden. Außer einem gelangweilten Barkeeper hinter dem Tresen
war niemand auszumachen. Olli bestellte sich einen Kaffee und ließ sich in der Nähe
vom Eingang nieder. Das Amazonas war eine von diesen Kaschemmen, die tagsüber eine
schummerige Atmosphäre verbreiteten, weil sie durch viele künstliche Bäume die Helligkeit
und Unrast von der Straße nicht in sich eindringen ließen. Erstaunlich, dass Olli
der einzige Gast hier war, denn er kannte genug Typen, die tagsüber in solchen Spelunken
abhingen. Jacko beispielsweise. Zudem wunderte er sich, wieso der Monarch diese
Bar überhaupt kannte, denn nicht ein einziger Geldspielautomat hing hier.
Er beschloss, ein Foto mit dem Handy
von der Bar aufzunehmen. Als er den Auslöser drückte, durchschritt ein Riese die
Eingangstür und eilte schnurstracks auf Olli zu. Dann riss er ihm das Handy aus
der Hand. Das Knirschen seines Geräts unter der Schuhsohle des Hünen erzeugte ein
nicht gerade angenehmes Geräusch, aber Olli war froh, dass er wenigstens Distanz
zu ihm hielt.
Der Hüne
sammelte grob die zerquetschten Kleinteile des Telefons auf und legte sie mit starren
Gesichtszügen auf seinem Tisch ab, die der Urnenübergabe bei Beerdigungsritualen
ähnelte. Seine Sprache war aber eine andere. »Eh, du kleiner Hosenscheißer, mach
das nicht noch einmal. Keine Fotos von mir, sonst setzt es langen Hafer. Besser,
du verpisst dich.«
Der Riese
drehte sich weg und bewegte sich mit gemächlichen Schritten auf den Barkeeper zu,
der die beiden mehr als interessiert beobachtete.
Langen Hafer
– diesen Begriff kannte Olli von seinem Großvater, wenn er einen Hintern voll Hiebe
bezog. Hafer wird nämlich gedroschen.
Olli konnte
immerhin seine Speicherkarte aus dem Inneren des Geräts retten. Das Bild vom Hünen
war für die Ermittlungsarbeit somit gerettet. Die zerstörten mechanischen Reste
entsorgte er in der Aschenschale. Aus den Augenwinkeln bemerkte Olli, dass der Riese
noch etwas beim Barkeeper bestellte, bevor er sich in die Richtung der Toiletten
begab.
In Anbetracht der Umstände erschien
es Olli sinnvoll, einen geordneten Rückzug anzutreten. Als er fieberhaft nach Kleingeld
in seinen Hosentaschen suchte, um den Kaffee zu bezahlen, näherte sich unerwartet
der Barkeeper mit einem Drink. »Der Whisky ist von Wolle mit einem schönen Gruß.
Wirklich blöd, dass das Gerät auf dem Dielenboden lag. Es tut Wolfgang echt leid,
er hat sich ja vorhin auch entschuldigt. Zum Wohl.«
Wolle.
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