Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
Hatte
Kommissar Zufall in seiner Gerechtigkeit bereits zugeschlagen und ihm Wolfgang Schafrott
präsentiert? Olli war unsicher, ob er auf Gerechtigkeit pochen sollte, um Justitias
Waagschalen wieder auf ähnliche Höhe zu bekommen, solange Schafrott auf der Toilette
saß.
»So ganz
von selbst ist das Gerät aber nicht auf den Boden gefallen.«
Der Barkeeper
wurde rotzfrech: »Komm mal runter, Kleiner. Das ist nicht in Ordnung. Ich habe genau
gesehen, wie der Wolle sich bei dir entschuldigt hat. Wenn du das Ganze anders siehst,
dann ist das nicht der richtige Ort für dich. Auf Hackfressen wie dich können wir
auf der Schanze gut verzichten.«
Unparteiisch
war der Barmann nicht gerade. Als Olli vernahm, dass sich die Toilettentür wieder
öffnete, war Flucht angesagt. Olli platzierte einen Fünfer auf dem Tisch und ließ
den Drink mitsamt dem verdutzten Barkeeper stehen.
Das musste
der durchgeknallte Hüne mitbekommen haben, denn Olli hörte dessen schwere Stiefel
immer schneller hinter sich auf dem Dielenboden krachen, als er aus dem Amazonas
flüchtete. Fast geriet er in Atemnot, als er erleichtert bemerkte, dass die Schritte
hinter ihm langsamer wurden. Der Riese konnte nicht mithalten. War er nicht in Form
oder in die Jahre gekommen?
Als Olli
das rettende grüne S-Bahn-Schild an der Sternschanze sah, waren keine Schritte mehr
hinter sich zu vernehmen. Ein letzter Schrei gellte ihm aber nach: »Verpiss dich,
du miese kleine Ratte. Abtanz!«
Olli stürmte
die Treppen zur alten Bahnstation hoch und flüchtete in eine haltende S-Bahn, die
stadteinwärts fuhr. Natürlich fuhr er schwarz, denn das Risiko, doch noch von dem
Riesen beim Lösen eines Fahrscheins am Automaten auf dem Bahnsteig abgefangen zu
werden, war er nicht eingegangen.
Auf dem
Hamburger Hauptbahnhof löste Olli ein Ticket nach Kiel. Nur raus aus Hamburg.
Kiel gefiel
ihm. Er würde sofort Kommissar Hansen aufsuchen. Vielleicht könnte er später am
Abend noch mit Stuhr einen Zug durch die Gemeinde unternehmen.
Tot oder lebendig
Vladimir war kein Unbekannter im
Kieler Rotlichtmilieu, das die Einheimischen kurz als Küste bezeichneten. Eigentlich
bestand es nur noch aus zwei Straßen, dem viel befahrenen Wall und der kleinen Flämischen
Straße. Immer mehr vom Kneipenbestand wurde von dem sich wie ein Moloch ausbreitenden
Funkhaus gefressen. Wie sollte man da seine Geschäfte machen?
Er hatte
zwar keine Mädchen an der Küste laufen, aber seine Jungs waren für alle möglichen
Anlässe nützliche Helfer. Kurierdienste, Hehlerei, kleine und größere Brutalitäten
und ein wenig Stricherei, was gerade so anfiel. Er verdiente ganz gut dabei. Die
Kieler Polizei ließ ihn in Ruhe, weil er gewisse Kontakte pflegte und im Milieu
nur als kleiner Fisch galt. Es war immer gut, wenn die einen nicht von den anderen
wussten.
In letzter
Zeit liefen seine Geschäfte allerdings eher mau. Wenn er nur für die UniProm gearbeitet
hätte, dann wäre er längst in der Gosse gelandet. Die Aufträge von Denisow waren
zwar angenehmer Natur, weil sie meist harmlos waren und nicht nur Jelena und den
anderen Mädchen gutes Geld brachten. Aber insgesamt kam zu wenig herüber, da hätte
er gleich im Kaukasus bleiben können. Vladimir wollte etwas sein, und dazu brauchte
man Geld. Viel Geld. Er rotzte verächtlich auf den Boden.
Glücklicherweise
hatte er nirgends unterschrieben, ausschließlich für die UniProm tätig zu sein.
Dann war er über seine Jungs an diesen Korschunow von der RusskiGaz geraten. Der
war ein harter Hund, und Vladimir vermutete von Anfang an richtig, dass Korschunow
unter gewaltigem Druck stand, denn für Schnörkeleien hatte der keine Zeit. Seine
Aufträge waren allesamt knallhart.
Zudem hatte
Korschunow einen Riecher. Menschen mit Instinkt hatten Vladimir immer schon Furcht
eingeflößt. Korschunows brutale Aufträge kamen dummerweise immer in Momenten, in
denen Vladimir knapp bei Kasse war. Was blieb ihm übrig? Er ließ die Jobs erledigen
und fragte nicht lange nach. Schließlich verschlang nicht nur sein alter Mercedes
Unmengen an Geld.
So stand
Vladimir etwas ratlos vor dem Nevada, weil er nicht einschätzen konnte, was ihn
heute erwarten würde. Im Rotlichtviertel hatte er mit niemandem Ärger, aber das
Nevada behagte ihm nicht, weil sich Korschunow über Strohmänner eine regelrechte
Festung innerhalb des Milieus aufgebaut hatte. Er verfügte über vielseitig nutzbare
Räumlichkeiten, ohne dass ihm jemand in die Spielkarten
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