Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
hineinsehen konnte.
Vor allem
die Hinterzimmer waren berüchtigt. Vladimir hatte üble Erinnerungen daran. Drinks
und Zigaretten gab es umsonst, auch mitleidiges Schulterklopfen. Das war auch nötig,
weil bisher noch niemand mit voller Börse aus dem Nevada wieder herausgekommen war.
Vladimir
gab sich einen Stoß und öffnete die Flügeltüren zum Eingang der Bar. Am Ende eines
langen, rot erleuchteten Flures stand ein kleiner, aber kräftiger Kerl in paramilitärischer
Kleidung mit einem mächtigen Mastino, der sofort unruhig wurde. Vladimir schätzte,
dass der Kopf des muskulösen Kampfhundes mindestens Hutkrempe 62 benötigen würde.
Dabei war der Wuchs der Hirnmasse deutlich erkennbar durch die kräftigen Zähne behindert
worden.
Vladimir
überlegte, wie er sich am elegantesten an diesem Ensemble vorbeidrücken konnte.
Aus sicherer Entfernung bat er mit geschäftiger Stimme um Einlass. »Korschunow will
mich sehen. Wichtige Geschäfte. Ich bin Vladimir.«
Der Hundehalter
zeigte keinerlei Regung im Gesicht, aber er zwang mit einem kräftigen Zurren an
der Leine seinen vor Schmerz winselnden Köter in die Knie. Das schien das Zeichen
zu sein, dass er passieren durfte. Vladimir schritt tänzelnd an den beiden vorbei
in die Bar.
Es war der
plüschige Charme seiner alten Heimat, der seinen Augen entgegensprang. Langflorige
Auslegeware, gedrechseltes Mobiliar aus Kirschbaumholz und verspiegelte Wandflächen.
Kaukasischer Barock, sagten viele. Aber Vladimir liebte diese Form der Behaglichkeit.
Er verstand die Deutschen nicht, die sich in den gesichtslosen Lounges herumtrieben
und sich zwischen kalten Materialien wie Glas, Stahl, Stein und Schleiflack wohlfühlten.
Flackernde Kamine auf riesigen Flachbildschirmen reichten ihm nicht aus, um dieses
schöne Gefühl von Gemütlichkeit zu erzeugen.
Es war früh
am Abend, und dementsprechend war der Laden leer. Vladimir entdeckte Korschunow
sofort, der auf einem mit rotem Samt bezogenen Barhocker mit vergoldetem Fuß thronte.
Mit einem Wink bedeutete Korschunow, sich zu ihm zu setzen. Er hatte zwar einen
Drink vor sich stehen, aber er wirkte stocknüchtern. Seine stattliche Figur war
durchtrainiert wie ein Elitesoldat, aber seine unnatürlich schwarzen Augenringe
waren auffällig. Sie wiesen darauf hin, dass dieser Mann ein ernsthaftes Problem
haben musste. Vermutlich schluckte er Tabletten, um sich wach zu halten.
Vladimir
bestellte ein Wasser, denn er musste einen klaren Kopf behalten. Er zuckte ein wenig
mit der linken Schulter, um sich zu vergewissern, dass seine Knarre richtig im Halfter
saß. Das Messer im Strumpf brauchte er nicht zu kontrollieren, weil es immer dort
steckte. Es war seine Lebensversicherung.
Das Gespräch begann Korschunow.
»Vladimir, du hast meistens gute Arbeit geleistet, deine Burschen auch. Lass uns
darauf anstoßen.« Ohne Vladimirs Antwort abzuwarten, hielt Korschunow ihm seinen
Drink zum Anstoßen entgegen. Die Gläser rasselten ordentlich aneinander.
Das kannte
Vladimir aus Russland. Erst lobte man sich freundlich und später haute man sich
die Belege gegenseitig um die Ohren. Genauso sollte es kommen, wenngleich sich das
Lob in Grenzen hielt. »Es gibt jetzt allerdings Schwierigkeiten, Vladimir. Könnte
vielleicht einer von deinen Jungs gesungen haben?«
Vladimir
zeigte keinerlei Regung. Das durfte er auch nicht, denn dann könnte er schnell ein
toter Mann sein. Seine Jungs? Natürlich hatte er das meiste von Korschunow verdiente
Geld in seine eigene Tasche gesteckt. Seine Mutter hatte ihm eingebläut, dass das,
was man im Bauch hatte, andere einem nicht mehr nehmen konnten. Und was man in der
Hosentasche trug, konnten andere nicht mehr ausgeben. Er war nicht sonderlich belesen,
aber er wusste, dass das im Osten Planwirtschaft und im Westen Marktwirtschaft hieß.
So fragte er harmlos nach: »Schwierigkeiten? Ich weiß nichts von Schwierigkeiten.«
Nun wurde
Korschunow deutlich. »Die gibt es aber. Hör zu, Vlad, in Hamburg soll ein Hobbydetektiv
herumschnüffeln und alte Kernkraftgegner suchen. Jetzt, nach mehr als 30 Jahren.
Zudem sind Gerüchte aufgetaucht, die die Morde der letzten Wochen mit meiner RusskiGaz
in Verbindung bringen. Das ist schlecht.«
Vladimir
ärgerte sich über die Verkürzung seines Namens, die seine Mutter nur zweimal gewagt
hatte, ihm gegenüber auszusprechen. Mütter schlägt man normalerweise nicht, aber
den Respekt ließ er sich nicht nehmen. Wenn sie ihm jetzt ab und zu eine Karte schickte
und sich
Weitere Kostenlose Bücher