Kullmann
wollte, und nichts anderes. Damit fertig, zwang sie sich nun, endlich ihr zerstörerisches Misstrauen aufzugeben.
Sie verstand aber nicht, dass sogar Kullmann in Robert den Hauptverdächtigen sah; Anke wusste genau, dass Kullmann ein Kriminalbeamter war, dem nichts entging. Wenn ihr Chef einen Verdacht hatte, war er immer begründet. Diese Gedanken zermürbten sie zunehmend und ließen ihre Zweifel an Robert wachsen. Aber wenn er wirklich der Polizistenmörder war, so hätte er viele Möglichkeiten gehabt, auch ihr etwas anzutun, immerhin war sie Polizistin. Nichts dergleichen war bisher geschehen. Wie sie sich geliebt hatten, das konnte sie sich nicht nur einbilden. Soviel Gefühl, wie Robert ihr zeigte, und so viel Aufmerksamkeit, Zärtlichkeit und Offenheit, das konnte kein falsches Spiel sein. Er konnte ihr immer in die Augen schauen, niemals hatte sie darin auch nur den geringsten Zweifel, die geringste Unsicherheit gesehen. Nein, niemals war Robert der Mann, für den ihn die Kollegen hielten. Er war zärtlich und aufmerksam, genauso, wie Anke sich ihren Lebenspartner immer gewünscht hatte.
Der Rest des Tages zog sich unendlich hin. Sie spürte nicht den geringsten Impuls, die verwahrloste Wohnung zu entrümpeln, um sich damit von ihren quälenden Gedanken zu befreien. Ihr schwirrender Kopf mit den ungelösten Fragen lähmte sie. Unmerklich wurde die Luft immer muffiger, weil sie sich nicht traute, das Fenster zu öffnen. Als ob sie Angst hätte, ihre Gedanken könnten nach draußen dringen und sie verraten.
Am Abend stand Robert mit einem bunten Blumenstrauß vor der Tür, der an einem anderen Tag Anke riesig gefreut hätte. Aber an diesem Abend fühlte sich Anke so hin und hergezerrt, dass sie sich über nichts und niemanden mehr freuen konnte. Robert bemerkte ihr Zögern. Er verpackte seine Beobachtung in eine liebevolle Bemerkung, aber Anke spürte, wie sich alles in ihr sperrte, offen mit ihm über ihre zerklüftete Gefühlslage zu reden. Geschickt wich sie ihm aus, indem sie ihm erklärte, immer noch nichts von Kullmann gehört zu haben und somit immer noch vom Dienst befreit zu sein, was ihr sehr zu schaffen mache. Übergangslos bat sie Robert, sie wieder allein zu lassen. Robert sah sie ruhig an, zeigte kaum etwas von seiner Überraschung. Zum Glück schwieg er. Aber seine Augen schienen sie zu durchbohren. Diese Augen, die sie an ein tiefblaues Meer erinnerten, in dem sie liebend gerne versunken wäre, gaben ihr nun das beängstigende Gefühl, dass er ganz tief in sie hineinschauen konnte. Sie fürchtete sich plötzlich davor, dass diese Augen ihre Gedanken lesen konnten. Hastig schob sie ihn vor die Tür.
An diesem Abend stand Anke überhaupt nicht der Sinn danach, den herrlichen Blumenstrauß zu versorgen, weil er sie an Robert und an ihre widerstreitenden Gefühle zu ihm erinnerte. Hastig entsorgte sie den Strauß in der Mülltonne. Zufrieden über ihren Entschluss schlüpfte sie in ihren Pyjama und legte sich ins Bett. Sofort schlief sie ein. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, schien die Sonne in ihr Zimmer. Mit sanften Bewegungen räkelte sie sich, um langsam wach zu werden, doch plötzlich hielt sie inne. Ihre rechte Hüfte schmerzte ganz heftig, und auch ihre rechte Schulter ließ sich nicht mehr richtig bewegen. Sogar am rechten Knie spürte Anke jede geringste Bewegung. Erschrocken zog sie die Decke weg. Ihr Körper war übersät mit blauen Flecken, und ihre Schürfwunden leuchteten rot entzündet.
Vorsichtig stand sie vom Bett auf und machte einige Schritte. Zum Glück wurde es nicht schlimmer, sie hatte sich also nur Prellungen und Hämatome zugezogen. Die Schmerzen ließen sie wieder über ihr Erlebnis mit ihrem geliebten Rondo nachdenken. Was hatte dieses Pferd zu dieser Reaktion getrieben? Nicht ein einziges Mal war er bisher heftig oder bockig geworden. Warum gerade gestern, an einem Tag, an dem sie seine Treue ganz besonders gebraucht hätte?
Wie Schuppen fiel es von Ankes Augen. Sie hatte einen ganz dummen Fehler gemacht, hatte Rondo für ihre Unzufriedenheit verantwortlich gemacht. Zwingen wollte sie ihn, ihr das zu geben, was sie unbedingt haben wollte, nämlich Bestätigung. Sie hatte Macht über ihn haben wollen. Meine Güte, wie konnte sie sich nur zu einer solchen Reaktion hinreißen lassen? Niemals wollte sie die alleinige Verfügungsgewalt über andere haben. Wenn sie nicht loslassen könnte, würde sie nie erfahren, was sie selbst konnte und wollte. Das Verhalten
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