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Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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jemandem, der einen verletzten Vogel gefunden hat und ihn
über die Genesungszeit hinaus bei sich behält, aus einem
Schutzbestreben heraus, dessen Mittelpunkt – obwohl er es
niemals zugeben würde – er selbst ist, nicht das Tier. Nun,
vielleicht können wir für die Erde nichts mehr tun, und es
ist Zeit zum Loslassen… In diesem Fall ist es an uns,
wegzufliegen; aber du verstehst doch, was ich meine.«
    »Aber du stimmst mit Linter darin überein, daß die
Erde etwas Schönes hat, etwas auf ästhetische Weise
Positives, an das keine Kultur-Umgebung heranreicht?«
    »Ja, das tue ich. Nur wenige Dinge sind durch und durch
vorteilhaft. Wir haben nie etwas anderes getan, als das auf ein
Höchstmaß zu bringen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt
zufällig als ›gut‹ angesehen wurde. Ungeachtet der
Einschätzung der Eingeborenen ist nichts grundsätzlich
Unlogisches oder Unmögliches daran, ein echtes, funktionierendes
Utopia zu haben oder das Schlechte zu tilgen, ohne das Gute zu
zerstören, das heißt Schmerz ohne Vergnügen oder
Leiden ohne Aufregung… Aber andererseits heißt das nicht,
daß man die Dinge immer genauso einrichten kann, wie man es
will, ohne gelegentlich auf ein Problem zu stoßen. Wir haben
das Schlechte fast vollständig aus unserer Umgebung entfernt,
aber wir haben nicht alles Gute erhalten. Durchschnittlich betrachtet
haben wir immer noch einen gewaltigen Vorsprung, aber in einigen
Bereichen müssen wir den Menschen Zugeständnisse machen,
und letzten Endes wird ihre Umgebung die interessantere sein. Das ist
ganz natürlich.«
    »Mögest du interessante Zeiten erleben.«
    »Eben.«
    »Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen. Ich
erkenne an all dem keine Nützlichkeit und keine Schönheit.
Das einzige, das ich einräume, ist, daß es sich
möglicherweise um ein entscheidendes Stadium handelt, das
durchgemacht werden muß.«
    »Das kommt vielleicht auf dasselbe heraus. Vielleicht ist es
ein geringes Zeitproblem. Du bist einfach nur zufällig jetzt
hier.«
    »Wie es alle anderen auch sind.«
    Ich drehte mich um und betrachtete ein paar der vorbeigehenden
Menschen. Die Herbstsonne stand tief am Himmel, eine kräftig
rote Scheibe, pulverig und gasförmig, in der Farbe von Blut, von
der diese wohlgenährten westlichen Gesichter angehaucht waren.
Ich sah ihnen in die Augen, doch sie wandten den Blick ab; ich hatte
Lust, sie am Kragen zu packen und zu schütteln, sie
anzubrüllen, darauf hinzuweisen, was sie falsch machten, ihnen
zu erklären, was sich abspielte; ihnen die Augen zu öffnen
über die verschwörerischen Militärs, die
betrügerische Wirtschaft, die aalglatten Lügen der Konzerne
und Regierungen, den Holocaust, der in Kambodscha stattfand… und
ihnen auch zu sagen, was möglich wäre, wie dicht sie
bereits daran sind, was sie erreichen könnten, wenn sie nur
ihren Planeten in den Griff bekämen… Aber welchen Sinn
hatte das? Ich stand da und betrachtete sie und ertappte mich dabei,
daß ich – halb unabsichtlich – meine Drüsen auf langsam einstellte, so daß sie sich plötzlich in
Zeitlupe bewegten, an mir vorbeizogen wie Schauspieler in einem Film,
gesehen auf einer unzulänglichen Kopie, die zwischen Dunkelheit
und Körnigkeit wechselte. »Welche Hoffnung gibt es für
diese Menschen, Schiff?« hörte ich mich mit belegter Stimme
murmeln. Für jeden anderen mußte es sich wie ein keifendes
Zischen angehört haben. Ich wandte mich von ihnen ab und sah
hinunter zum Fluß.
    »Die Kinder ihrer Kinder werden sterben, bevor du auch nur
alt aussiehst, Diziet. Ihre Großeltern sind jünger, als du
es jetzt bist… Nach deinen Maßstäben gibt es keine
Hoffnung für sie. Nach den ihren gibt es jede erdenkliche
Hoffnung.«
    »Und wir werden die armen Teufel als Testgruppe
benutzen.«
    »Wir werden sie vermutlich einfach nur beobachten,
ja.«
    »Uns zurücklehnen und nichts tun.«
    »Zu beobachten ist eine Form, etwas zu tun. Und wir werden
ihnen nichts wegnehmen. Es wird sein, als wären wir niemals hier
gewesen.«
    »Abgesehen von Linter.«
    »Ja«, seufzte das Schiff. »Abgesehen von Mr.
Problem.«
    »Ach, Schiff, könnten wir sie nicht wenigstens vom
Äußersten abhalten? Wenn sie tatsächlich auf den
Knopf drücken, könnten wir nicht einfach die Raketen im
Flug zu Schrott werden lassen, nachdem sie Gelegenheit hatten, es auf
ihre Weise zu machen, und die Sache versiebt haben… Könnten
wir nicht wenigstens in diesem Moment auf den Plan treten? Bis dahin
hätten sie ihren

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