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Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Titel: Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Kaufleute und Künstler – wo bleibt da der einfache Mann? Nun, wir finden ihn bei einem flämischen Maler, dessen Bilder Ihnen vermutlich bekannt vorkommen werden. Vielleicht hätten Sie sie nur nicht der Renaissance zugeordnet. Pieter Brueghel der Ältere (ca. 1525–1569) war der Stammvater einer ganzen Künstlerdynastie. Um die vielen Brueghels besser unterscheiden zu können, haben ihnen die Kunsthistoriker Spitznamen nach ihren beliebtesten Motiven gegeben. Pieter Brueghel der Ältere firmiert als der Bauernbrueghel.
    Seine »Bauernhochzeit« von 1568 ist ein Blick ins pralle Landleben. Es wird gefressen, gesoffen, musiziert, debattiert und angebandelt. Brueghel idealisiert nicht. Man sieht, dass es sich um arme Leute handelt. Selbst bei einer Hochzeit gibt es nur Grütze zu essen; und sogar diese bescheidene Mahlzeit scheint eine solche Leckerei zu sein, dass das kleine Mädchen im Vordergrund genüsslich den Teller leer schleckt. Der Bauernbrueghel begründete mit seinen Darstellungen des Landlebens eine neue Gattung – die Genremalerei, das heißt: Bilder von Alltagsszenen.
    In der Kunstgeschichte gibt es zwei Richtungen: zum einen die lebensnahe Darstellung (zum Beispiel im Realismus). Dort haben schuftende Leute krumme Rücken und schmutzige Füße. Und zum anderen die idealisierte Darstellung (etwa in der Romantik). Hier nimmt sich das Leben als Hirte oder Bauer wie ein einziges Frohlocken aus.

    Diese beiden Möglichkeiten von Realismus und Überhöhung ziehen sich übrigens durch die gesamte Kunst. Auch bei Caravaggio werden wir ihnen wieder begegnen.
    Caravaggio entdeckt das Licht
    Begleiten Sie mich bitte für einen Moment in die Berliner Gemäldegalerie – zu meinem absoluten Lieblingsmaler. In einem der Berliner Säle entdecken wir auf der Seite links neben dem Durchgang das Gemälde eines geflügelten nackten Lausbuben in aufreizender Pose. Er lächelt uns ein wenig spöttisch zu. In seiner rechten Hand hält er zwei Pfeile. Zu seinen schmutzigen Füßen liegen Geige, Richtscheid, Rüstung, Notenbuch, Lorbeer. Was kümmert mich dieser Schrott,scheint der Knabe zu sagen, ich bin die Liebe. »Amor als Sieger« heißt das Bild. Es stammt von einem weiteren Michelangelo. Doch dieser hier war kein machtbewusster Schöngeist, sondern ein wahrer Raufbold, Sodomit und mutmaßlicher Totschläger. Wir kennen diesen Michelangelo Merisi unter jenem Namen, den er sich nach seinem Geburtsort in der Nähe von Bergamo gegeben hat: Caravaggio (1571–1610).

    Zwei Dinge, beide Ausdruck seiner Radikalität, begründen Caravaggios einzigartigen Rang in der Kunstgeschichte.
    Zum einen die Wahl seiner Modelle und der Realismus seiner Darstellung. Caravaggio fragte sich: Waren die Jünger Jesu nicht einfache Fischer gewesen? Also malte er sie als solche, in zerschlissenen Kleidern, mit verhärmten Gesichtern und Schmutz unter den Fingernägeln. Bei seinem »Ungläubigen Thomas« stochert der Apostel tatsächlich mit seinem Zeigefinger in der Brustwunde Jesu herum.
    War David nicht ein einfacher Hirtenknabe gewesen, als er den Riesen Goliath mit der Steinschleuder besiegte? Also gab Caravaggio ihm die Züge eines römischen Straßenjungen. Und ein anderer Straßenjunge – Caravaggio soll an Straßenjungen übrigens ein durchaus erotisches Interesse gehabt haben – diente ihm als Modell für »Amor als Sieger«.
    Zum anderen ist es Caravaggios Einsatz von Lichteffekten oder, genauer gesagt, von Licht und Dunkelheit. Das ist bei »Amor als Sieger« gut zu erkennen: Der Hintergrund ist schwarz. Amor wird schräg wie von einem Scheinwerfer angeleuchtet. Seine lichtabgewandte Seite liegt im Halbschatten. Für diese Lichtregie gibt es einen Fachausdruck – »Chiaroscuro«, die »Helldunkelmalerei«. Kein Maler nach Caravaggio konnte je wieder die Effekte des Lichts in einem Bild ignorieren. Wenn Sie bei einem Museumsrundgang ein Gemälde entdecken, bei dem der Künstler besonders dramatisch mit Helldunkeleffekten gearbeitet hat, steht fest: Es handelt sich um eine unmittelbare Reaktion auf Caravaggio und vermutlich um ein Werk des Barock.
    Die Zeitgenossen Caravaggios waren von seiner Arbeit entweder völlig begeistert oder maßlos entsetzt. Kehren Sie mit mir noch einmal kurz in die Berliner Gemäldegalerie zurück. Rechts neben dem »Amor als Sieger«, auf der anderen Seite des Durchgangs, hängt »Der himmlische Amor besiegtden irdischen Amor« von Giovanni Baglione (1571–1643). Auf diesem Bild triumphiert ein

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