Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)
Hauses gewusst haben?
»Ich
bin davon ausgegangen, dass sie die ganzen Jahre über ahnungslos war. Erika und
ihr Achim. Sie hätte Karriere beim Theater machen können, so perfekt, wie diese
Frau die Unwissende gespielt hat. Immerhin über 20 Jahre! Hätte ich ihr nie
zugetraut.«
»Aber
nun haben Sie es erkannt«, stocherte der Hauptkommissar unbeirrt weiter.
Michael
Wiener verstand kein Wort. Worüber redeten die beiden nur? Er setzte eine
möglichst ausdruckslose Miene auf und konzentrierte sich darauf, beflissen
mitzuschreiben.
»Nach
der Attacke war ja alles klar. Bloß gut, dass sie ziemlich weit daneben
gestochen hat. Wollte wohl sichergehen, dass sie mich ausgeschaltet hat.« Er
zwinkerte Nachtigall verschwörerisch zu. »Wir beide, ne, wir wissen genau, dass
es nicht so einfach ist, einem das Lebenslicht auszuknipsen. Einem wie mir
schon gleich gar nicht. Müssen schon ein paar grundlegende Dinge stimmen.
Anatomische Kenntnisse aus ›Frau am Schlüsselloch‹ reichen da natürlich nicht.«
Selbstgefällig strich er über die Stelle, an der sich unter dem Krankenhaushemd
ein Verband abzeichnete. Weit entfernt von dem Platz, an dem sich das Herz
befand.
»Hätte
auch getroffen haben können.«
»Ja,
sicher. Glück war auch dabei. Sogar die Lunge hat sie verfehlt.« Seine Miene
verdüsterte sich wieder. »Was soll ich sagen? Heute bin ich nicht mehr wirklich
stolz drauf. Aber was hätte ich denn tun sollen? Die Kinder klein, die Frau
ohne Arbeit, ich unehrenhaft aus der Armee entlassen. Wegen einer Nichtigkeit!
Ganze Zukunft zerstört. Klar habe ich darüber nachgedacht, wie ich die Dinge
wieder in den Griff kriegen kann. Legal. Zunächst. Aber damit war nicht genug
Geld zu verdienen. Um mich herum diese arroganten Glücksritter, deren
widerliche Brut sich über meine Kinder lustig machte. Das Shirt von der
falschen Firma und schon warst du in der Schule raus aus dem Spiel.« Man konnte
Hummer den Ärger von damals noch immer ansehen. Choleriker, diagnostizierte
Nachtigall.
»Da
haben Sie umgesattelt.«
»Was
soll ich sagen? Ich bin das Opfer einer verfehlten Sozialpolitik. Und als man
mir den ersten Job anbot, griff ich zu. Ein Typ, der im Rotlichtmilieu eine
Rechnung offen hatte. Schießen und vor allem treffen«, er grinste wieder, »hatte
ich ja gelernt. Also pustete ich den Kerl um, der dem anderen ein Dorn im Auge
war. Kohle kam. Ich wurde wieder angeheuert. Achim. Der Idiot. Kleiner
Versicherungsvertreter mit albernen Träumen. Der war Sadist, hat Erika sicher
schon erzählt. Und der war besessen von der Idee, sich ein Haus einzurichten
wie dieser Hotelbesitzer in London. Hieß der Holmes? Egal. Dort wollte er
Frauen quälen – aber auch Jungs, wenn es sich anbot. Das kostet. Was macht der
Kerl? Lässt sich auf Drogengeschäfte ein. Klar ist ihm der Organisator auf die
Schliche gekommen, als er anfing, was abzuzweigen. Da kam ich ins Spiel. Und
als er erledigt war, habe ich ihn verschwinden lassen. Woher Erika das nun
alles wusste, kann ich auch nicht sagen.«
»Und
dann? Haben Sie den Job wieder aufgegeben?«
»Ne!
Wie denn auch? Im Grunde kann ich doch nur das. Aber ich hab mich als Söldner
anheuern lassen. Ist auch ganz gut bezahlt und hier killst du legal.«
Nachtigall
bemühte sich um einen gleichgültigen Tonfall. »Wir setzen jemanden vor Ihre Tür.
Und natürlich sind Sie vorläufig festgenommen. Das Protokoll dieses Gesprächs
bringen wir vorbei, damit Sie unterschreiben können.«
»War
vielleicht blöd von mir anzunehmen, die Erika sei drüber weg. Frauen eben – halten
auch nach dem Tod an so einem Ekel wie Achim fest. Wie der seine Frau gequält
hat! Unvorstellbar. Bis die bewusstlos war. Und er hat sie auch vermietet. Aber
nein, kaum ist der Kerl tot, schon idealisiert sie ihn. Aber mich würde schon
interessieren, woher sie wusste, dass ich ihn abgeknallt habe. Wusste außer mir
und dem Auftraggeber keiner – und ich habe nicht
gequatscht.«
Nachtigall
wartete.
»Na,
ist doch wahr! Ist doch jetzt nichts, was ich rumerzähle. Schließlich wandert
man dafür in der Regel für die besten Jahre seines Lebens hinter Gitter. Und,
mal ehrlich: immer nur mit Knackis? Für mich ist das nichts, wenn der einzige
akzeptable Gesprächspartner der Gefängnisseelsorger ist. Nein, nein.«
Für
einen Augenblick wurde sein Gesicht noch fahler. Offensichtlich war ihm
aufgegangen, dass genau so seine nächste Zukunft aussehen werde.
»Gut.
Wir überlassen Sie nun der Pflege. An den Namen
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