Kunst des Feldspiels
– sie konnte sich einschreiben, ohne die Highschool
abzuschließen, sie musste keine Studiengebühren zahlen, und sie war bereits
hier und fühlte sich so weit gut. Aber wie konnte sie keine Zweifel haben, in
Anbetracht der Vorspeisen, die jetzt kamen, der in sich zusammengefallenen
Gäste, die sich verabschiedeten, ihres Vaters, der wie immer unentschuldigt
fehlte, und Mikes, der irgendwo damit beschäftigt war, Henry zu verhätscheln.
Wenn der heutige Abend ein Referendum über ihren Verbleib in Westish war, sah
das Ergebnis nicht gut aus. Sie liebte David nicht mehr, aber die Liebe hatte
sie konditioniert, die Welt mit seinen Augen zu sehen. Und in seinen Augen war
das hier nichts als ein gottverlassenes Kaff.
Der Wein war weiß, sie
mussten ihn gewechselt haben.
Sie war viel zu sehr
von Männern abhängig, Mike dies, Daddy das, brauchte den einen, um sie vor dem
nächsten zu bewahren. Selbst Küchenchef Spirodocus war ja irgendwie ein Mann.
Vielleicht brauchte sie mehr Frauen in ihrem Leben, weshalb sie sich im Kopf
auch so an Judy Eglantine festkrallte, aber besser zurechtgekommen war sie
immer schon mit Männern, und daran würde sich auch hier sicher nicht viel
ändern, wo die meisten Frauen jünger waren als sie und sie unter Garantie
meiden, fürchten und als Schlampe titulieren würden, egal was sie tat. War das
zu pessimistisch? Jedenfalls würde sie sich auf sich selbst verlassen müssen.
Irgendetwas brummte.
David zog sein BlackBerry aus der Tasche und sah auf das Display. »Dein Vater«,
sagte er.
»Dann geh nicht dr-«,
sagte sie, aber zu spät. David reichte ihr das Telefon.
»Pella. Tut mir leid.
Ich kann in einer Viertelst-«
»Schon in Ordnung«,
sagte sie quietschfidel. »Ich glaube, es war gut, dass du nicht gekommen bist.
David und ich hatten einiges zu besprechen.«
»Wirklich?«, sagte ihr
Vater ungläubig.
»Wirklich.«
»Du bist mir nicht
böse?«
»Nächste Frage!« Fidel,
aber ehrlich. Fidel, ehrlich und betrunken.
»Okay … Es läuft nicht zu gut, hoffe ich?«
»Betriebsgeheimnis.«
Pella hörte Hintergrundgeräusche – Stimmen, eine Art Klimpern, entfernte Musik.
»Bist du in einem Restaurant?«
»Ich? … Nein, nein,
natürlich nicht. Ich wurde von Bruce Gibbs aufgehalten … Ein Präsident ist
immer im Dienst, das alte Lied … Bist du sicher, dass ich nichts für dich tun
kann?«
»Bis morgen«, sagte
Pella.
Es konnte kaum halb
zehn sein, aber überall im Raum wurden Rechnungen beglichen und Jacketts
angezogen. Der Mittlere Westen, wie er leibte und lebte: die
Zehn-Uhr-Nachrichten und im Morgengrauen raus aus den Federn. Pella wollte
nicht länger auf die unsichtbare Hand des Kellners warten und griff nach dem
Flaschenhals. Sie sah David an. »Ich schlafe mit jemandem.«
»Das glaube ich dir
nicht.«
Sie wusste, dass er das
ernst meinte: Er glaubte es ihr tatsächlich nicht. »Aber es stimmt.«
»Das glaube ich dir
nicht«, wiederholte er. »Ich weiß nicht einmal, warum du so etwas überhaupt
sagen solltest. Was ist denn mit uns?«
»Was ist mit uns? Es ist ja nicht so, dass wir miteinander schlafen würden. Wir haben seit einem Jahr keinen Sex mehr gehabt.«
Er starrte sie wütend
an. »Das stimmt nicht.«
»Und ob das stimmt«,
sagte Pella. »Seit mindestens einem Jahr.«
»Bella. Du kannst dich
nicht mehr an das letzte Mal erinnern, als wir miteinander geschlafen haben?«
Bella versuchte sich zu
erinnern. Aber warum sollte sie sich überhaupt erinnern? Sie hatten immer
seltener miteinander geschlafen und dann ganz damit aufgehört. Es hatte keine
offizielle Zeremonie gegeben, es war nicht einmal eine bewusste Entscheidung
gewesen.
»Es war an
Weihnachten«, sagte David. »Der Tag, an dem ich dir die hier gegeben habe.« Er
griff in die Innentasche seines Jacketts und zog einen kleinen braunen Umschlag
hervor. Er öffnete ihn und schüttelte zwei prachtvolle tropfenförmige Ohrringe
heraus, Platin mit Saphiren. Pella hatte sie noch nie zuvor gesehen. Oder doch?
»Du bist verrückt«,
sagte sie.
»Ich dachte, du willst
sie vielleicht behalten. Ich selbst habe dafür keine rechte Verwendung.«
Pella widerstand dem
Verlangen, einen der beiden Ohrringe in die Hand zu nehmen. »Wir hatten an
Weihnachten keinen Sex«, sagte sie.
David betrachtete sie
mit einem ruhigen, bedauernden Gesichtsausdruck, wie er für gewöhnlich einem
seiner ruhig geäußerten Vorschläge voranging – beruhige dich oder trink einen Schluck Wasser oder denk doch mal darüber
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