Kunstblut (German Edition)
an.
»Möglicherweise eine Josephine?«
»’et Jossefinn? Natürlich, die wohnt über mir.«
»Vielen Dank«, sagte ich und drehte mich um. Friedel war bereits halb die Treppe hinauf, aber Herr Hoogenstraat zupfte mich noch einmal am Ärmel.
»Haben Sie jetzt sogar schon bei der Kripo Neger?«, fragte er leise, während er Friedel ängstlich hinterhersah.
»Natürlich.« Ich griff Herrn Hoogenstraat am Kragen seines Bademantels und hob ihn an, bis ich ihn auf Augenhöhe hatte. »Wir spielen immer ›guter Cop, böser Cop‹«, sagte ich. »Und ich – bin der gute.« Ich ließ ihn fallen und lief die Treppe hinauf. Hinter mir wurde die Tür zugeknallt.
»Was wollte er noch?«, fragte Friedel.
»Er hat mir zu unserer multikulturellen Polizei gratuliert.«
»Ich hoffe, du hast ihn nicht zu sehr erschreckt«, sagte Friedel und drückte auf die Klingel mit dem Namensschild »Josephine Kutzner«.
»So was würde ich nie tun. Der Mann schien herzkrank zu sein.«
Er kicherte und drückte die Klingel ein zweites und drittes Mal. Endlich waren Schritte zu hören.
»Wer ist da?«, fragte eine Frauenstimme.
»Wir müssen mit Herrn Steen sprechen.«
»Mit Hans-Karl?« Ein Schlüssel drehte sich, und die Tür wurde geöffnet. »Warum?«, fragte sie.
Sie trug eine kantige, schwarze Brille, ich schätzte sie auf dreißig. Ihre Haare waren von einem struppigen Dunkelrot, und sie war etwas zu klein und ein wenig zu dick, um als schön zu gelten, aber in ihren Augen glomm etwas, das mir Respekt einflößte.
»Frau Josephine Kutzner?«, fragte ich, so freundlich es ein Polizist gerade eben noch getan hätte.
»Ja. Was wollen Sie?«
»Wir haben Herrn Steen etwas Wichtiges mitzuteilen.«
»Wer sind Sie eigentlich?«
Dieses Mal zeigte ich meine Konzession vor und lächelte freundlich dazu. »Es geht um Professor van Wygan«, sagte ich leise.
»Oh«, sagte sie, ihr Blick bekam etwas Feindseliges. »Was will er schon wieder?«
»Nein, wir arbeiten nicht für den Professor …«
»Eher im Gegenteil«, fiel Friedel mir ins Wort.
Ihr Blick war wach und intelligent. »Warum sollte ich Ihnen das glauben?«
Ich lächelte. »Müssen wir das hier im Treppenhaus besprechen?«
»Nein«, sie sah mich mit vorgerecktem Kinn an, »wir müssen das überhaupt nicht besprechen.«
Ich trat näher an die Tür. »Die Polizei ist hinter Hans-Karl her. Es gibt einen Haftbefehl«, flüsterte ich.
Das erschütterte sie doch. Unsicher trat sie einen Schritt zurück. »Er ist nicht da«, sagte sie.
»Das stimmt nicht, und wir alle drei wissen das«, sagte ich. »Wenn wir jetzt reinkommen, können Sie gern die Polizei rufen. Aber die werden nicht nur uns mitnehmen.«
Ich drückte die Tür auf. Sie gab den Weg frei, die Fäuste wütend geballt. Ich zog es vor, sie im Auge zu behalten. Ihre Kiefer mahlten, während sie uns langsam durch einen schmalen, aber endlos langen Flur voranging.
Steen saß in der Küche an einem großen Tisch voller schmutziger Teller und benutzter Gläser und starrte uns an.
»Was wollen Sie?«
»Was wir wollen?« Friedel griff sich einen Stuhl und setzte sich neben ihn. »Die Wahrheit.« Er grinste, aber Steen wandte sich ab.
»Die Wahrheit?« Er griff nach einer Flasche billigem Grappa, die vor ihm zwischen den Tellern stand.
»Falls du dir sie leisten kannst«, sagte Friedel.
»So etwas wie Wahrheit kenne ich nicht. Ich kenne nur die Lüge und die Kunst.«
»Cool. Ist der Spruch von dir?«
Steen antwortete nicht. Er suchte in dem Chaos vor sich nach einem ausreichend sauberen Glas, schließlich setzte er die Flasche direkt an und trank. Danach hielt er sie Friedel hin.
»Wollen Sie?«
Friedel schob seine Hand weg.
»Die Polizei sucht Sie wegen Mordes. Wissen Sie das eigentlich?«, fragte ich.
Steen, der die Flasche gerade wieder zum Mund führen wollte, erstarrte in der Bewegung und glotzte mich an.
»Mord? Mich? Warum?«
Friedel schüttelte mitleidig den Kopf. »Ich vermute, weil sie glauben, du hättest jemanden umgebracht.«
»Wen soll ich denn umgebracht haben?« Er stellte die Flasche ab, seine Hand zitterte ein wenig.
»Yves Schwarzenberger«, sagte ich.
»Yves? Ich?«
»Das ist lächerlich«, ließ sich Josephine Kutzner vernehmen. Sie lehnte mit verschränkten Armen und finsterem Gesicht am Türrahmen.
»Warum sollte ich Yves ermorden? Ich habe von dem Mann gelebt! Sein Tod ist ein finanzielles Desaster für mich!«
»War das nicht seine Ermordung auf deinem Video, gestern?«,
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