Kunstblut (German Edition)
fragte Friedel.
»Wie kommen Sie denn da rauf?«
»Ein Mann in einem blauen Anzug sitzt an einem schwarzen Schreibtisch und bekommt eine Kugel in den Kopf. Wer war das, wenn es nicht Schwarzenberger war?«
Verblüfft sah er erst Friedel, dann seine Freundin an.
»Stimmt das?«, fragte er.
»Nein«, antwortete sie entschieden.
»Ich habe es gesehen«, sagte Friedel.
»Das kann nicht sein«, sagte die Frau. »So eine Szene gibt es nicht. Nicht auf dem Video.«
»Wie können Sie das wissen?«, fragte ich.
»Ich habe es bearbeitet.«
»Aber es sind doch Dutzende von Szenen darin …«
»Einhundertvierundfünfzig, wenn Sie es genau wissen wollen. Und ich kenne jede Einzelne davon.«
»Sie? Und er nicht?«
»Er arbeitet mehr konzeptionell.« Sie ließ sich nicht anmerken, wie sie dazu stand.
»Existiert das Video noch, oder ist es gestern zerstört worden?«
»Es gibt eine Sicherungskopie auf dem Rechner in der Akademie.«
»Ich habe Sie da gestern gar nicht gesehen«, sagte ich.
»Ich war nicht da.«
»Warum nicht? Sie scheinen doch ziemlich großen Anteil am Entstehen des Werkes gehabt zu haben.«
»Man hat mich nicht eingeladen.«
»Der Professor wünschte das nicht«, sagte Steen. Er griff wieder nach der Grappaflasche.
»Die Polizei verhaftet einen nicht einfach so. Die müssen einen guten Grund haben. Können Sie sich vorstellen, was für ein Grund das sein könnte?«, fragte ich.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Waren Sie am Montag in Schwarzenbergers Büro?«
»Ja. Aber schon morgens. Das habe ich der Polizei auch gesagt.«
»Haben Sie ein Alibi für die Zeit seines Todes?«
»Ich war essen, mit Swann.«
»Swann!« Friedel lachte auf. »Ein totes Alibi ist kein besonders gutes Alibi!«
»Er hat es der Polizei bestätigt!«
»Ich fürchte, seine Glaubwürdigkeit hat nachträglich etwas gelitten«, sagte ich.
Das Handy in meinem Jackett klingelte. Es war Herr Kim.
»Hier tut sich was. Jede Menge Streifenwagen.«
»Danke.« Ich steckte das Gerät wieder ein. »Es ist so weit. Die Polizei ist unten.«
»Schnell! Versteck dich auf dem Dachboden, Hansi«, sagte Josephine.
»Davon würde ich abraten. Besonders, wenn Sie wirklich unschuldig sind«, sagte ich.
Es klingelte energisch an der Tür. Friedel erhob sich. Er zog eine kleine Digitalkamera aus der Jackentasche und machte eine Aufnahme von Steen.
»Lassen Sie das!« Josephine Kutzner stürmte auf ihn zu und versuchte, ihm die Kamera zu entwinden.
»Lass ihn doch«, sagte Steen.
»Machen Sie lieber die Tür auf, sonst wird sie Ihnen eingeschlagen«, sagte ich.
Es klingelte erneut, dann wurde heftig gegen die Tür getrommelt. Mit Tränen der Wut in den Augen ließ sie von Friedel ab und ging den Flur entlang zur Wohnungstür.
Steen saß am Tisch und nuckelte an dem Grappa. Er sah stur geradeaus.
»Was hat van Wygan mit der Geschichte zu tun? Warum haben Sie sich eben mit ihm getroffen?«, fragte ich.
»Es war alles seine Idee«, sagte er leise.
»Was? Was war seine Idee?«
In der Diele polterten Schritte.
Steen schüttelte schweigend den Kopf.
»Reden Sie, Mann!«
»Ohne Anwalt sag ich gar nichts mehr.«
Fahrenbach betrat die Küche, gefolgt von einem anderen Kripobeamten und einem Uniformierten. Seine Schritte stockten, als er uns sah.
»Erster«, sagte Friedel.
»Was zum Teufel haben Sie beide hier verloren?«
»Wir hatten ein paar Fragen an Herrn Steen«, antwortete ich.
»Die habe ich auch, aber ich werde sie ihm nicht hier stellen. Herr Steen, Sie sind verhaftet wegen des Mordes an Yves Schwarzenberger. Stehen Sie auf.«
Steen erhob sich, den Blick auf die Tischplatte gerichtet. Fahrenbach griff energisch nach seinen Handgelenken und legte ihm Handschellen an.
Friedels Kamera blitzte auf.
»Lassen Sie das, Hausmann«, blaffte Fahrenbach.
»Wie kommen Sie eigentlich auf ihn?«, fragte Friedel.
Fahrenbach lachte böse. » Sie sind doch immer der Erste. Wieso wissen Sie das nicht?«
»Ich kann Sie nicht lobend erwähnen, wenn Sie es mir nicht sagen. Und dann beschweren Sie sich wieder über die schlechte Presse.«
Fahrenbach schob Steen dem uniformierten Polizisten zu.
»Der Kollege Pollack hat viel Zeit im Moment. Und neulich, als ihm zu langweilig wurde, hat er seine Tochter in die Videothek geschickt. Sie hat einen ihrer Lieblingsfilme ausgeliehen: ›2001, Odyssee im Weltraum‹. Darin gibt es einen Computer, der heißt HAL .«
»Ja – und?«
»Das hat Pollack auf eine Idee gebracht.« Fahrenbach
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