Kunterbunte Tiergeschichten
durchbrochen und lag nun, feucht, nackt und hässlich im
Nest. Bewundernd schauten die jungen Eltern ihr Junges an. Es war
in ihren Augen das schönste Gänschen, das sie je gesehen hatten.
Dann wurde es von Natt-Natt liebevoll unter Schnattis Federn geschoben, damit es ja nicht auskühlte.
Nun schlüpften in kurzen Abständen alle Küken, und das Gedränge
im Nest wurde groß und größer. Schnattis Appetit wuchs auch. Darum wechselten sich nun die Eltern einige Male am Tag bei der Nestbetreuung ab, damit sich jeder genügend Futter suchen oder auch
einmal für ein erfrischendes Bad in den Teichen schwimmen konnte.
Aufmerksamer denn je bewachte Natt-Natt seine Familie, denn vor
einigen Tagen hatte er zum ersten Mal einen Feind, seinen größten
Feind, den Fuchs entdeckt. Der Bösewicht befand sich zwar noch
hinter dem hohen Zaun, war aber doch gefährlich nah. Lautstark hatte
Natt-Natt Alarm geschnattert und ihn zunächst vertrieben. Aber wer
wusste schon, für wie lange? Er warnte Schnatti immer wieder ausdrücklich, während seiner Abwesenheit besonders gut auf die Jungen
und die Umgebung aufzupassen. Aber alles Warnen war vergebens.
Eines Tages, als er von einem kurzen Erkundungsflug zurückkam,
fand er Schnatti aufgeregt schnatternd vor dem zerwühlten Nest. Ein
einziges Küken kuschelte sich ängstlich unter Schnattis Federn, die
anderen Küken hatte trotz verzweifelter Gegenwehr nun doch der
Fuchs geholt. Schnatti weinte bittere Gänsetränen um ihre verlorenen
Jungen. Stundenlang schnatterten beide Eltern traurig vor sich hin.
Aber alles Schnattern und Jammern nutzten nichts, denn davon kamen die kleinen Gänschen nicht wieder. Ihr einziger Trost war ihr übrig gebliebenes Küken, das nun von ihnen mit größter Liebe umsorgt
und verhätschelt und mit den besten Leckerbissen verwöhnt wurde.
Durch soviel Fürsorge wuchs es schnell heran, und bald schon wanderte es mit ihnen über die Wiese zum Tümpel. Es lernte, wo die
Leckerbissen wuchsen, dass man sich bei Gefahr ducken musste, und
wer Freund und Feind war.
Der Sommer verging allmählich, und aus dem Gänseküken war eine
junge schöne Gans geworden, auf die Natt-Natt und Schnatti sehr
stolz waren. Nun wurden schon die ersten Flugstunden abgehalten.
Jeden Tag kletterten sie den Hügel hinauf, und die Eltern machten
dem jungen Gänschen leichte Flugübungen vor. Aber wenn das Junge oben auf dem Hügel stand und hinuntersah, verließ es jedes Mal
der Mut, und es watschelte nach ein paar erfolglosen Flügelschlägen niedergeschlagen wieder hinunter. Aber die Eltern ließen nicht
locker. Immer wieder aufs Neue forderten sie ihr Junges zu Flugübungen auf. Eines Tages traute es sich endlich. Die junge Gans
flog, nachdem der Vater es ihr zum hundersten Mal vorgemacht
hatte, mit unsicheren Bewegungen ihrer Flügel den Hügel hinab
und landete unsanft auf ihrem gut gepolsterten Bauch. Die Eltern
schnatterten begeistert, ihr Junges hatte die Angst überwunden. Es
konnte fliegen!
Von Tag zu Tag wurde die junge Gans stärker und sicherer, und die
Flüge in die weitere Umgebung wurden immer weiter ausgedehnt.
Nun waren schon die Schwalben fortgezogen, und auch für sie wurde
es langsam Zeit, an die weite Reise zu denken.
Eines Tages war es dann so weit. Abschied nehmend kreisten sie
noch einmal laut schnatternd über die Wiese und die großen Teiche,
um dann, schnell kleiner und kleiner werdend, in der Weite des Himmels zu verschwinden.
Ihr kleines Paradies
Das Gänsepaar spähte immer wieder verzweifelt durch das dichte
Gestrüpp, das am Rande des Waldes wuchs. Wie sollten sie nur mit
ihren Jungen, sieben an der Zahl, solch eine große Entfernung überwinden? Die Gänschen waren doch noch so klein, gerade erst mal
vierzehn Tage alt. Und sie brauchten viel Zeit, um über den breiten
Acker und die Wiese zu laufen. Dann musste noch die Straße überquert werden, und weiter ging es am Feldweg entlang, bis sie den
Durchgang zur Wiese gefunden hatten. Wenn alles gut ging, wären
sie irgendwann in den Nachmittagsstunden endlich bei den großen
Teichen angelangt.
Natti schnatterte besorgt. Wenn sie daran dachte, was noch alles passieren konnte, bis sie ihr Ziel erreicht hatten, stellten sich ihre Nackenfedern kerzengerade auf.
Den beiden, Natt-Natt und Schnatti, war hier alles wohl bekannt. Sie
kamen jedes Jahr hierher, legten ihre Eier, brüteten sie aus und zogen ihre Jungen groß. Wenn es an der Zeit war, flogen sie mit ihnen
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