Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
Vom Netzwerk:
Irgendwann in den letzten Tagen mußte sich ein Verbrecher den Glaskrug gegriffen, den Alkohol ausgetrunken und die Schlange gestrandet und verdorrt zurückgelassen haben.
    »Tut mir ehrlich leid für Sie«, sagte Jack. »Aber sollten Sie dem Kerl nicht ein Brechmittel geben? Andernfalls muß er doch gewiß sterben.«
    »Eben nicht. Das ist ja das Ärgerliche daran. Dieser dreimal verfluchte Hunne, dieser schottische Straßenräuber, er wird nicht sterben. In dem Glas war allerbester, doppelt gebrannter Weingeist.«
    »Tun Sie mir den Gefallen und frühstücken Sie mit mir in der Kajüte. Eine Kanne Kaffee und ein paar knusprige Koteletts auf die Viper, das lindert, das entgiftet ...« Vor lauter Erleichterung wäre Jack fast ein Bonmot gelungen; er hatte es schon auf der Zunge, aber irgendwie entglitt es ihm dann doch. Deshalb begnügte er sich mit einem so herzlichen Auflachen, wie es ihm angesichts von Stephens Verärgerung statthaft erschien, und schloß: »Der verdammte Schurke ist uns glatt davongelaufen. Jetzt müssen wir leider recht mühsam zum Kap zurückkreuzen. Ich frage mich, ich frage mich, ob Dillon es geschafft hat, uns wenigstens die Schebecke zu sichern, oder ob sie ebenfalls entkommen ist.«
    Diese Neugier teilte er mit dem Rest der Besatzung, ausgenommen Stephen. Aber an diesem Vormittag sollte sie nicht mehr gestillt werden; auch nachdem die Sonne ihren Höchststand überschritten hatte, mußten sie noch eine ganze Weile warten. Gegen Mittag schlief der Wind fast ganz ein, die neu angeschlagenen Segel hingen schlaff, in großen Bäuchen, von ihren Rahen herunter, und die Leute, die das beschädigte Stell flickten, mußten durch eine Persenning geschützt werden. Der Tag war so feucht und heiß, daß ein Luftzug keine Erfrischung brachte und daß Jack trotz aller Ungeduld, seine Enterer aufzunehmen, die Prise zu sichern und an der Küste wieder nordwärts zu segeln, es nicht über sich brachte, die Besatzung an die Langriemen zu befehlen und die Brigg durch die Flaute pullen zu lassen. Die Männer hatten recht zufriedenstellend gekämpft (obwohl die Kanonen für seinen Geschmack immer noch zu langsam feuerten) und waren jetzt fleißig dabei, die von der Gloire verursachten Schäden zu reparieren.
    »Ich werde sie wenigstens bis zur Hundewache in Ruhe lassen«, nahm er sich vor.
    Die Hitze lag drückend über der See. Der Rauch aus dem Kombüsenschornstein zog nicht ab, sondern lastete auf dem Deck, zusammen mit dem Geruch nach Grog und der Riesenportion Pökelfleisch, die zu Mittag vertilgt worden war. Die Glocke glaste in so langen Abständen, daß das hitzige Gefecht am frühen Morgen für Jack einem anderen Zeitalter anzugehören schien, einem anderen Lebensabschnitt oder (hätte das Kissen unter seinem Kopf nicht noch leicht nach Pulver gerochen) der Erfahrung eines Fremden, etwa in einem vor Zeiten gelesenen Buch. Lang ausgestreckt auf seiner Heckbank, sinnierte er träge darüber nach, drehte und wendete die Gedanken im Kopf hin und her, bis er endlich in tiefen Schlaf sank.
    Mit einem Ruck erwachte er erfrischt, abgekühlt und sich sofort der Tatsache bewußt, daß die Sophie schon eine ganze Weile flotte Fahrt gemacht hatte, vor einer Brise, die sie leicht krängen ließ, so daß seine Füße höher lagen als sein Kopf.
    »Ich fürchte, die verdammten Frischlinge haben Sie geweckt«, sagte ein bekümmerter Mr. Marshall und schüttelte ärgerlich den Kopf. »Ich habe sie ins Rigg geschickt, aber es war leider schon zu spät. So ein Geschrei und Hallo — wie eine Horde Affen. Hol sie der Henker!«
    Obwohl sonst ein ausnehmend ehrlicher und aufgeschlossener Charakter, erwiderte Jack, ohne nachzudenken: »Oh, ich habe nicht geschlafen.«
    An Deck blickte er sogleich zu den Masttoppen hoch, von wo die Kadetten ängstlich herabspähten, ob ihr Vergehen wohl dem Kommandanten hinterbracht worden war. Als sie seinen Blick auffingen, starrten sie sogleich pflichtbewußt und mit höchst konzentrierten Mienen zum Horizont, wo sich die Schnau in Begleitung einer Schebecke vor dem frischen Ostwind schnell der Sophie näherte.
    Da ist sie ja. Und er hat sich auch die Schebecke geschnappt. Tüchtiger Bursche — hervorragender Seemann, sagte sich Jack mit einem Gefühl höchster Genugtuung. Sein Herz erwärmte sich für Dillon, denn die zweite Prise hätte sich sehr leicht davonschleichen können, während der Erste die Crew der Schnau kaltstellte. Es mußte ihn sogar außerordentliche Anstrengungen

Weitere Kostenlose Bücher