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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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nach seinem Sprachrohr greifend, »wir kreuzen ihr Kielwasser dicht am Heck.« Als er den Trichter hob, entstand vorn ein schwerer Tumult, von Geschrei begleitet: eine Kanone, vielleicht zwei, waren umgestürzt. »Feuer einstellen dort vorn«, schrie er mit aller Macht. »Backbordbatterie — Achtung!«
    Der Rauch blieb zurück, als die Sophie zur Drehung nach Steuerbord ansetzte, um das Kielwasser des Gegners zu kreuzen, damit ihre Backbordbatterie das Heck der Gloire unter Feuer nehmen, ihre Kugeln der Länge nach durch den ganzen Rumpf schicken konnte. Aber der Franzose ließ das nicht zu: Wie durch einen Instinkt gewarnt, war er fast gleichzeitig mit Sophies Manöver abgefallen. Jack sah ihn an seiner Heckreling stehen, hundertfünfzig Meter entfernt, einen kleinen, zähen, verwitterten Mann, der gebannt achteraus starrte. Jetzt griff er hinter sich nach einer Muskete, stützte beide Ellbogen auf die Heckreling und zielte in aller Ruhe auf Jack. Es war fast ein privates Duell — Jack spürte, wie sich seine Brust- und Gesichtsmuskeln unwillkürlich verkrampften und er den Atem anhielt.
    »Setzt die Royals, Mr. Marshall«, befahl er. »Sie zieht uns sonst davon.«
    Seit die Kanonen keine Ziele mehr auffassen konnten, war das Feuer verstummt, und in der Stille hörte er den Musketenschuß knallen, so nahe und deutlich wie neben seinem Ohr. Im selben Sekundenbruchteil stieß der Rudergänger Christian Pram einen schrillen Schrei aus und sank am Rad zusammen; im Fallen zog sein Arm, der vom Handgelenk bis zum Ellbogen aufgerissen war, die Speichen mit sich. Sophies Bugspriet schoß in den Wind, und obwohl Jack und Marshall sofort ins Rad griffen, war das Manöver ruiniert und ihr Vorteil dahin. Die Backbordbatterie hätte das Ziel nur nach einer weiteren Drehung auffassen können, die noch mehr Fahrt gekostet hätte, und Fahrt durften sie keinesfalls verlieren. Die Sophie stand nun schon gut zweihundert Meter achteraus vom Steuerbord-Achterschiff der Gloire , und falls sie noch etwas retten wollte, mußte sie schneller werden, mit ihr gleichziehen und den Beschuß wiederaufnehmen. Jack und der Master blickten beide gleichzeitig nach oben. Aber jedes in Frage kommende Segel war gesetzt, und für Leesegel stand der Wind zu vorlich.
    Jack starrte wieder nach vorn, wartete auf eine bestimmte Bewegung an Deck der Gloire , auf den leichten Knick in ihrem Kielwasser, der die bevorstehende Drehung nach Steuerbord ankündigen würde — damit sie nun ihrerseits an Sophies Heck Vorbeigehen und sie der Länge nach beharken konnte, bevor sie abfallen und sich um ihren zerstreuten Konvoi kümmern würde. Aber er wartete vergeblich. Die Gloire behielt ihren Kurs bei. Bisher war sie selbst ohne Royals etwas schneller gewesen als die Sophie , aber nun setzte sie diese Zusatzsegel, zumal der Wind für sie etwas günstiger stand. Während Jack noch mit vor Anstrengung tränenden, gegen die tiefstehende Morgensonne zusammengekniffenen Augen hinstarrte, legte sie sich in einer leichten Bö über, die Seen schossen weiß an ihrem Rumpf vorbei, und ihr Kielwasser wurde länger und länger. Ihr ergrauter Kommandant feuerte immer noch beharrlich die Musketen ab, die ihm ein Helfer nachgeladen reichte, und eine seiner Kugeln zerfetzte auch eine Webeleine zwei Fuß neben Jacks Kopf. Doch sie waren schon fast außer Reichweite, und die unsichtbare Grenze zwischen privatem Duell und unpersönlichem Kampf lag längst hinter ihnen — Jack scherte sich nicht mehr um ihn.
    »Mr. Marshall«, sagte er, »bitte fallen Sie so weit ab, daß wir ihr eine Abschiedssalve verpassen können. Mr. Pullings — Mr. Pullings, Feuer frei, sowie Sie das Ziel auffassen können.«
    Die Sophie drehte zwei, drei Strich von ihrem bisherigen Kurs ab. Die Bugkanone krachte, und in regelmäßigen Intervallen folgte ihr der Rest der Backbordbatterie. Aber leider zu hastig: Die Rohre hatten zwar höchsten Anstellwinkel, aber die Einschläge lagen zwanzig oder sogar dreißig Meter zu kurz. Die Gloire , der ihre Sicherheit anscheinend über ihre Ehre ging, segelte immer höher am Wind, ihre Pflicht gegenüber Señor Mateu vergessend und auf jede Rache verzichtend. Als Vollschiff konnte sie höher gehen als die Sophie , was sie auch prompt tat, wobei sie das Äußerste aus der günstigen Brise herausholte. Sie floh, floh ganz eindeutig. Von Sophies nächster Salve schienen noch zwei Kugeln zu treffen, und eine durchschlug auf jeden Fall ihr Besanbramsegel. Aber bei den

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