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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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rechts an ihnen vorbeizog. Kanone Nummer vier brüllte auf, sofort gefolgt von entsetzlichen Schmerzensschreien. In seiner Hast hatte der Auswischer das Rohr nicht gründlich genug geputzt, und als er die neue Ladung festrammte, war sie ihm ins Gesicht geflogen. Die Mannschaft zerrte ihn beiseite, wischte neu aus, lud nach und rannte die Kanone aus. Aber das alles ging zu langsam, die ganze Steuerbordseite war viel zu langsam gewesen. Die Galeere hatte wieder gewendet; mit ihren je vierzehn Riemen, die das Wasser hielten, konnte sie wie ein Kreisel auf der Stelle drehen. Sie schoß mit achterlichem Wind nach Südwesten davon, ihre beiden großen Lateinersegel in der sogenannten Schmetterlingsstellung nach jeder Seite weit ausgespreizt. Die erbeutete Schnau strebte nach Südosten und war schon eine halbe Meile entfernt; ihrer beider Kurse divergierten immer mehr. Die Sophie hatte beim Uberstaggehen zu lange gebraucht und dabei überraschend viel Raum verloren.
    »Einen halben Strich nach Backbord«, befahl Jack, der auf der Leereling stand und scharf nach der Galeere Ausschau hielt. Sie lief fast genau vor der Sophie einher, war ihr um rund hundert Meter voraus und vergrößerte ihren Vorsprung schnell. »Setzt die Royal-Leesegel. Mr. Dillon, schaffen Sie bitte eine Kanone aufs Vordeck. Die Ringbotzen von dem Zwölfpfünder sind ja noch da.«
    Soweit er sehen konnte, hatte ihr Beschuß auf der Galeere keinen Schaden angerichtet. Hätten sie tiefer — auf den Rumpf — gezielt, wären ihre Kugeln in die dicht mit angeketteten christlichen Sträflingen besetzten Ruderbänke geschlagen. Hoch zu zielen ... Jacks Kopf ruckte zur Seite, sein Hut flog übers Deck: Eine Musketenkugel der Piraten hatte sein Ohr gestreift. Unter seinen tastenden Fingern fühlte es sich völlig taub an und blutete stark. Er sprang von der Reling herunter und legte den Kopf schräg, um das Blut nach Lee abtropfen zu lassen, während er mit der Rechten schützend seine kostbare Epaulette abdeckte. »Killick«, rief er und bückte sich, um die Galeere unter der straffen Wölbung des Großsegelunterlieks beobachten zu können, »bring mir den alten Rock und ein frisches Taschentuch.« Auch während er sich umzog, behielt er die Galeere scharf im Auge. Inzwischen hatte sie ihre Heckkanone zweimal abgefeuert, doch die Schüsse lagen eine Idee zu weit. Herrgott, die können diesen Zwölfpfünder aber flink handhaben, dachte er. Sowie die Royal-Leesegel geschotet waren, wurde die Sophie schneller und holte merklich auf. Jack war nicht der einzige, dem es auffiel: Triumphgeheul erscholl auf dem Vorschiff und pflanzte sich zu beiden Seiten in dem Maße nach achtern fort, wie die Kanoniere in der Kuhl davon erfuhren.
    »Buggeschütz ist klar, Sir«, meldete James Dillon lächelnd. Aber dann stutzte er, als er das Blut an Jacks Hals und Fingern sah. »Sind Sie verwundet, Sir?«
    »Nur ein Kratzer — hat nichts zu bedeuten. Wie beurteilen Sie die Lage?«
    »Wir holen auf.« Dillon sprach leise, aber mit mörderischer Vehemenz.
    Stephens plötzliches Auftauchen hatte ihn erschreckend aus dem Gleichgewicht geworfen. Obwohl ihm seine zahllosen vordringlichen Pflichten keine zusammenhängenden Gedanken gestatteten, war sein ganzes Bewußtsein — bis auf die zum Funktionieren benötigte oberste Schicht — so quälend von unartikulierter Angst, Bedrängnis und schwarzen Alpträumen erfüllt, daß er mit wilder Gier dem Nahkampf an Deck der Galeere entgegenfieberte.
    »Sie schüttet den Wind aus«, sagte Jack. »Sehen Sie sich diesen schlauen Schurken an der Großschot an. Hier, mein Glas.«
    »Aber nein, Sir, ganz gewiß nicht.« Mit einem wütenden Knacken schob Dillon das Teleskop wieder zusammen.
    »Na«, meinte Jack, »na, ich weiß nicht ...« Eine Zwölf-Pfund-Kugel schlug durch die beiden Bram-Leesegel an Steuerbord, zwei Löcher genau in Linie hinterlassend. Nur anderthalb Meter von ihnen entfernt sauste sie vorbei, ein verschwommener Schatten, der eben die Finknetze streifte. »Wir könnten einen oder zwei von ihren Kanonieren brauchen«, seufzte Jack. »An Ausguck!« brüllte er ins Rigg.
    »Sir?« kam die ferne Stimme von oben.
    »Was ist mit dem fremden Segel in Luv?«
    »Kreuzt auf, Sir, kreuzt auf zur Spitze des Konvois.«
    Jack nickte. »Die Stückführer der vorderen Kanonen sollen unser Buggeschütz feuerklar machen. Ich pointiere es selbst.«
    »Pring ist tot, Sir. Ein anderer Stückführer?«
    »Wie Sie wollen, Mr. Dillon.« Er schritt zum

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