Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Kampener Villa, als er noch reich und bedeutend genug für eine Homestory gewesen war. Dann sah man ihn in Siegerpose vor dem Squashcenter, das mit viel Beachtung der Presse, der Sylter Bürger und der Touristen eröffnet worden war. Das Gemeinderatsmitglied Ludo Thöneßen, das eine Kindertagesstätte einweihte, ein Band durchschnitt, um einen neuen Straßenabschnitt zu öffnen, den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein am Bahnhof von Westerland begrüßte und mit Reinhard Mey in den Dünen Gitarre spielte. Dann die Zeit mit Sila Simoni. Ludo Thöneßen strahlend neben einer Frau, der ihr Gewerbe auf den ersten Blick anzusehen war. Gewaltige Silikonbrüste, grelles Makeup, hoch aufgetürmte weißblonde Locken. Die Bildunterschriften waren verächtlich, und in den Titeln wurde Ludo gefragt, ob er verrückt geworden sei. Besonders das Inselblatt war nicht zimperlich mit ihm umgesprungen. Der Chefredakteur Menno Koopmann hatte es drastisch formuliert, die Pornodarstellerin eine unmoralische Person genannt und Ludo Thöneßen gleich mit in diesen Topf geworfen. Ein paar Jahre hatte er zu kämpfen gehabt und viel tun müssen, um das Schmuddelimage loszuwerden, das von seiner Frau auf ihn übergegangen war. Dann aber veränderten sich die Berichterstattungen, die Titel wurden wohlwollender, in den Artikeln wurde aus der Pornoqueen allmählich Ludo Thöneßens Frau. Irgendwann hatte sie jeder mindestens einmal ohne die grelle Schminke, die schrille Aufmachung und die aufreizende Kleidung erlebt, von da an gehörte sie einfach zu ihnen. Sie war beim Einkaufen im Jogginganzug gesehen worden, hatte die Tür der Kampener Villa in schlichten Jeans, im Rollkragenpulli und mit einem Putztuch in der Hand geöffnet und war, wenn sie als Frau des Gemeinderatsmitglieds neben Ludo auftrat, so unauffällig gewesen wie viele andere – wenn man mal von ihren aufgespritzten Lippen und den überdimensionalen Brüsten absah. Auch Menno Koopmann hatte sich im Laufe der Zeit gemäßigt. Er schien ebenso wie alle anderen zu der Meinung gekommen zu sein, dass Ludo Thöneßen und Sila Simoni ein harmonisches Paar waren, das aus Liebe geheiratet hatte. Kritische Stimmen und hämische Fragen gab es zwar immer noch, aber sie wurden mehr und mehr den Neidern zugeordnet, von denen es natürlich viele gab. Ludo Thöneßen, der Erbe eines beachtlichen Vermögens, der erfolgreiche Geschäftsmann, war durch seine Ehe mit dem millionenschweren Pornostar noch reicher geworden. So eine Entwicklung forderte immer Missgünstige heraus, die nicht an die glatte Oberfläche eines solchen Zusammenlebens glauben wollten.
Tatsächlich hatten sämtliche Neider dann irgendwann, als alle anderen nicht mehr daran glaubten, doch recht bekommen. Ludo verlor durch eine falsche Entscheidung sein Vermögen und damit anscheinend auch Stück für Stück die Liebe seiner Frau. Er war nicht der Einzige, der auf Klaus Matteuer hereingefallen war, auch andere hatten der Versuchung nicht widerstehen können, mit einem attraktiven Steuerabschreibungsmodell eine hohe Rendite zu erwirtschaften, die mit anderen Geldanlagen nicht zu erreichen gewesen wäre. Einige hatten das Geld verloren, das für ihr Alter bestimmt gewesen war. Es gab Schauspieler, die nun noch mit über siebzig verzweifelt nach jedem kleinen Engagement griffen, das ihnen angeboten wurde, und andere, die Sylt längst verlassen hatten und irgendwo untergetaucht waren, wo niemand sie kannte. Ludo schien es da noch vergleichsweise gutzugehen, er hatte ja eine reiche Frau an seiner Seite, sein Leben änderte sich nicht grundlegend.
»Aber dann ging’s los.« Sören zeigte auf eine Überschrift im Inselblatt. »Menno Koopmann hat irgendwie rausbekommen, dass es mit Ludo und der Pornoqueen nicht mehr stimmte. Anscheinend haben sie sich irgendwann sogar in der Öffentlichkeit gezofft, das war der Anfang vom Ende.«
»Und vermutlich gab es einen Ehevertrag?«
Sören nickte. »Sila Simoni ist clever. Als sie auszog und Sylt verließ, war Ludo am Ende. Das Bistro in Kampen ging den Bach runter, und Squash war irgendwann auch nicht mehr der neue Trendsport, der er mal gewesen war.«
Erik hatte mittlerweile alles durchgesehen, was das winzige Zimmer bot, aber nichts gefunden, was mit Ludos Verschwinden in Zusammenhang gebracht werden konnte. »Scheidungspapiere habe ich nicht gefunden. Geschäftspapiere auch nicht. So was bewahrt er vermutlich im Büro auf.«
An der Rezeption überreichte Jacqueline gerade zwei
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