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Kurschattenerbe

Kurschattenerbe

Titel: Kurschattenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
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nur verständlich, dass er sich bemühte, der Sache auf den Grund zu gehen.
    Sie hatten sich im Kurhaus getroffen und gingen entlang der Winterpromenade vorbei an zahlreichen Fußgängern und Radfahrern zurück in ihr Hotel. Er hatte ihr von seinem Gespräch mit Inspektor Comploi erzählt. Jenny hatte ihn von den Ereignissen in Marthas Buschenschank in Kenntnis gesetzt. Eigentlich hatte er vorgehabt, sie zum Aperitif in eines der Cafés einzuladen, die hier den Weg säumten. Doch ihre momentane Stimmungslage hatte ihn zögern lassen. Vielleicht tat ihr Bewegung besser. Die Ereignisse schienen sie aufzuwühlen. Deshalb beeilte er sich, ihr zu versichern, dass er keine Zweifel am Wahrheitsgehalt ihres Berichtes hatte.
    »Mein’ ich nur, das Bild wurde doch bei einem Brand im Brixner Dom zerstört. Wie kann es plötzlich beim Peter Mitterer auftauchen? Obwohl …« Er unterbrach sich, um die Gedankenfetzen, die wild in seinem Kopf herumwirbelten, einzusammeln und zu ordnen. »Könnte es sein«, setzte er fort, »dass der Mitterer das Bild einfach nach der Beschreibung gemalt hat?«
    »Du meinst wie in Oswalds Liedern … Das glaube ich nicht, das sind doch nur ein paar Zeilen. Da steht doch kaum was drin.«
    Lenz durchkramte sein Gedächtnis. »Mein’ ich nicht bloß die Lieder. Es gibt auch einen Bericht von einem Verwandten Oswalds, ein Marx Sittich von Wolkenstein. Der hat das Bild gesehen und darüber berichtet. Er schreibt, dass Oswald drei Tage lang auf einem Fass Malvasier getrieben ist. Zurück in Tirol hat er im Dom eine Kapelle errichtet, das Bild malen und eine Messe lesen lassen.« Lenz unterbrach sich, weil Jenny stehengeblieben war. Warum schaute sie ihn so skeptisch an? Er ließ sich nicht beirren und erzählte weiter: »Könnt’ ja der Mitterer die Chronik gelesen haben. Hat die ihn vielleicht zu dem Bild inspiriert.«
    Jenny lehnte sich über das Geländer und schaute auf die Passer hinunter, so als könne sie irgendwo zwischen den Schaumkronen des Wassers die Lösung des Rätsels finden. Sie drehte sich zu Lenz um. »Möglich wär’s, dass er das Bild einfach aus der Fantasie gemalt hat. Wie Oswald aussah und dass er nur ein Auge hatte, weiß man ja von dem Porträt, das erhalten ist. Ich halte es trotzdem für unwahrscheinlich.«
    »Und warum?«
    »Erstens war Mitterer Heimatmaler. Er hat vor allem Landschaften gemalt, hin und wieder waren auch Burgen und Bauernhäuser dabei, keine Menschen. Das weiß ich vom Beppo.«
    Natürlich, vom Reporter, der kannte hier ja Gott und die Welt. »Und zweitens?«, fragte Lenz
    »Zweitens war Peter Mitterer zwar ein anerkannter Künstler. Ein Bild von ihm wäre jedoch nie und nimmer einen Mord wert.«
    *
    Vor dem Spiegel seines Zimmers im Grand Hotel strich sich Tony Perathoner mit der Hand über das Haar. Er hatte es wie immer mit Gel geglättet und im Nacken zu einem Schwänzchen zusammengebunden. Das betonte zwar die lichter werdenden Schläfen, unterstrich jedoch sein exotisches, leicht verwegenes Äußeres und stand ihm gut.
    Er war einfach nicht der klassische Managertyp mit streichholzkurzem Haar und strotzend vor Seriosität. Da konnte Kateryna getrost versuchen, ihn in diese Rolle hineinzuzwängen. Das war einfach nicht seine Kragenweite. Er gefiel sich auch nicht mehr in der Rolle, die sie ihm zugedacht hatte. Der Tatsache musste sie ins Auge sehen. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie nahm seinen Antrag an und sie heirateten in absehbarer Zeit. Oder er würde aus ihrem Leben verschwinden.
    Tony rief sich die erste Begegnung mit Kateryna in Erinnerung. Es war bei einem Empfang im Festsaal ihrer Villa gewesen, die einem Palast glich. Die üppige slawische Schönheit seiner Gastgeberin hatte ihn vom ersten Moment an fasziniert. Zunächst hatte er geglaubt, auch bei ihr sei der Funke übergesprungen. Seiner Sache sicher hatte er sie gefragt, ob er sie am nächsten Abend zum Essen einladen dürfe. Sie ließ ihn abblitzen.
    »Ich bin eine vielbeschäftigte Frau«, meinte sie und reichte ihm die Hand zum Abschied.
    Tony versetzte es einen Stich. Er war es nicht gewohnt, abgewiesen zu werden. Bisher konnte er jede Frau haben, selbst bekannte Schauspielerinnen hatten sich mit ihm unter seinen Laken gewälzt. Im Grunde hatte ihn keine je wirklich interessiert. Zu leicht waren sie alle miteinander zu haben gewesen. Katerynas abweisende Haltung dagegen war für ihn eine ganz neue Erfahrung. Sein Jagdinstinkt war geweckt. Doch anstatt sie zu umwerben,

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