Kurt Ostbahn - Schneeblind
hochgezogener Augenbraue an mich.
»Höhere Gewalt«, sage ich. »Wir sind im Rallye von der Außenwelt abgeschnitten, vorläufig nur telefonisch, aber was weiß man, was uns der heutige Abend noch so alles beschert.«
»Dir garantiert einen mörderischen Rausch, wannst weiter zu jedem Bier einen großen Fernet trinkst. Und damit wirst du die Nora weder beeindrucken noch von der Dringlichkeit der Lage überzeugen können«, kommt mir der Trainer auf vorwurfsvoll.
Okay, er hatte heute den ganzen Tag jede Menge Streß mit den Faxen, seinem (oder Noras?) unsichtbaren Verehrer und mit Nora selbst, die ihn erst nach stundenlangen telefonischen Versuchen zurückgerufen, und — laut Trainer — ziemlich unbeeindruckt, um nicht zu sagen cool, einem Gespräch unter sechs Augen im Rallye zugestimmt hat. Sie wollte fernmündlich Bescheid sagen, wann genau wir mit ihrem Eintreffen rechnen könnten, sicherlich nicht vor zehn, halb elf.
»Wenn du zufällig dein Handy einstecken hast, von dem niemand wissen soll, daß es existiert, dann ließe sich zumindest das Problem unserer Unerreichbarkeit mühelos aus der Welt schaffen«, sage ich.
»Woher weißt du das schon wieder?« grantelt der Trainer.
»Was denn?«
»Na, daß ich ein Geheim-Handy hab!«
»Woher ich das weiß, kann, darf und will ich dir nicht verraten. Aber daß es mit deiner Geheimhaltung nach dem sechsten, siebenten Bier nicht weit her is, Trainer, das sollte ich dir in aller Freundschaft einmal gesagt haben. Was hiermit geschehen ist.«
»Wunderbar«, wiederholt sich der Trainer. Aber das sagt er immer, wenn er ein paar Takte Pause braucht, um neu gewonnene Erkenntnisse, (bittere) Erfahrungen oder (konstruktive) Kritik mit seinem Selbstbild in Einklang zu bringen.
Als er sein großes Bier und den Wodka aus Herrn Josefs Schatzkästchen vor sich stehen hat, hellen sich seine Züge gottlob wieder auf. Er faßt — nein, nicht nach dem Bier und auch nicht nach dem Wodka — in die Brusttasche seines kanadischen Holzfällerhemds, holt betont bedächtig sein geheimes Handy heraus und legt es vor uns auf die Theke.
»Zufrieden? Und jetzt?«
»Vorschlag, Trainer: Du rufst die Zofe Gerda an und schilderst ihr den Sachverhalt, inklusive Bekanntgabe deiner geheimen Handynummer. Unter dieser kann uns Nora hier im Rallye erreichen, vorausgesetzt, sie hält regelmäßig Kontakt zu ihrer Zofe, die ihr wiederum verläßlich mitteilt, wer wann und mit welchem Anliegen angerufen hat. Klingt doch plausibel, oder?«
Der Trainer antwortet mit einem langen ersten Zug aus dem Krügel. Und der Herr Josef schaut irgendwie skeptisch, vielleicht weil sich Begriffe wie »Handy« und »Zofe« in seinem Weltentwurf bisher noch nie begegnet sind.
»Wenn du jetzt gleich anrufst, Trainer, dann können wir uns anschließend mit dem Fragenkatalog befassen, den uns der Doc gefaxt hat. Und das sollten wir unbedingt tun, bevor die strenge Nora hereinschneit.«
»Du nervst, Kurtl«, sagt der Trainer.
Dann steht er auf und geht mit seinem Handy in Richtung Hinterzimmer. Der Herr Josef und ich schauen ihm nach. Ein, zwei Schritte vor dem moosgrünen Filzvorhang hält der Trainer inne, lauscht und sagt dann »Grüß Gott« oder sonstwas Nettes zur Begrüßung. Dann lacht er, schlägt den Vorhang zur Seite und verschwindet aus unserem Blickfeld.
»Geht mich ja eigentlich nix an«, wendet sich der Herr Josef vertraulich leise an mich, »aber geht’s da wieder um einen Film, in dem Sie mitspielen, Herr Kurt?«
»Nicht in dem Sinn«, sage ich.
»Aber schon irgendwie, oder?«
»Im Grunde geht’s um den Herrn Trainer und um eine Bekannte des Herrn Trainer, die von einem Unbekannten bedroht wird, aber nix davon weiß. Deshalb haben wir uns mit der Dame im Rallye verabredet, um sie zu warnen und eventuell herauszufinden, was sie über den Mann weiß.«
»Also wieder mehr eine Ermittlung«, sagt der Herr Josef. »Und? Fesch, die Dame? Des ganze viele Hirnschmalz wert?«
Der Trainer enthebt mich einer Antwort, die in jedem Fall nur falsch sein kann, indem er aus dem Dunkel des Hinterzimmers zurückkehrt und freudig verkündet, daß Nora in zirka einer halben Stunde zu uns stoßen wird.
Er kippt erleichtert seinen Wodka und wendet sich dann mit einer höchst eigenartigen Bitte an meinen Stammwirten: »Vielleicht kann man den Fernet einstweilen wegsperren, Herr Josef? Das wird nämlich eine sehr heikle Unterhaltung.«
»Also, ich versteh das Problem, Herr Trainer«, sagt der Herr Josef, dem
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