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Kurt Ostbahn - Schneeblind

Kurt Ostbahn - Schneeblind

Titel: Kurt Ostbahn - Schneeblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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»Disziplinar-Protokolle«, keine Bilder. Hannes Kreuzschinders unentschuldigtes Fernbleiben.
    Und schließlich, an diesem letzten, heißen Wochenende im August: Auftritt Michaela Kreuzschinder. Die Stiefschwester bemüht sich in ihrem Bewerbungsschreiben erst gar nicht um Form und Wahl der Worte. Ganz im Gegenteil: Sie teilt Nora mit, daß sie die Idee zwar beschissen findet, aber weil der Hannes so massiv Druck macht, ihren Arsch hinhalten wird, wenn danach endlich wieder Frieden ist. Was kriegt man dafür im Schnitt so aufgebrummt, wenn man seinen kleinen Bruder mit dem Kruzifix in den Arsch fickt? 80, 100? Mehr? Ich will auf meinem Hintern nachher jedenfalls noch sitzen können. Und wissen Sie, warum? Weil ich meinen kleinen Bruder nicht nur gern in den Arsch ficke, sondern noch viel lieber auf seinem Milchgesicht hocke und herumreite, bis ihm die Luft wegbleibt und er unter mir japst und grunzt und blau anläuft. Darauf steh ich. Das ist echt saugeil.
    So in etwa die Botschaft von Michaelas erstem E-Mail, das Nora nicht gleich beantworten, sondern zuerst einmal setzen lassen wollte. Aber noch in derselben Nacht kommt weitere Post aus dem Hause Kreuzschinder.
    Michaela schickt nur ein Wort, nämlich »Zufrieden?«, und legt ein Bild bei: Kreuzschinder mit Perücke, in BH, Strumpfbandgürtel und Strümpfen, über eine Stuhllehne gebeugt, mit verschwollenem, blutigem Hintern. Auf dem Spannteppich liegen ein Teppichklopfer, ein Kochlöffel und ein eiserner Schürhaken. Zwischen Kreuzschinders gespreizten Beinen steht ein Kruzifix.
    Nora antwortet vorerst nicht. Das Kreuzschinder-Spektakel ist nicht mehr nach ihrem Geschmack, seit aus dem Hannes eine Michaela wurde. Denn plötzlich sind zu viele unbekannte Faktoren und ein zu hohes Maß an Besessenheit mit im Spiel. Und Nora mag Spiele nicht, auf deren Verlauf sie keinerlei Einfluß hat.
    Außerdem macht sie sich Vorwürfe. Sie will nicht ausschließen, daß sie bei Kreuzschinder eine Lawine losgetreten hat, indem sie ihn in den Kreis ihrer erziehungsbedürftigen Eleven aufgenommen hat.
    Kurz vor Weihnachten kommt jedenfalls die letzte Elektropost, in der Hannes Kreuzschinder davon berichtet, daß er Michaela aus dem Haus gejagt hat, weil sie von fremden Männern Geld dafür nimmt, sich schlagen zu lassen.
    Über Hannes weiß er nur Gutes zu berichten. Der hat durch Madame Noras pädagogisches Geschick gelernt, sein Leben nach streng christlichen Grundsätzen zu gestalten, Ordnung zu halten, im Haushalt wie in der übrigen Lebensführung, und den Verlockungen der Sünde zu widerstehen.
    Seit Michaela aus dem Haus ist, sind sein Tun und Handeln und auch seine Gedanken dermaßen fleckenlos rein, daß er in Hinkunft auf Madame Noras wertvolle Erziehungsarbeit nicht mehr angewiesen ist und daher per nächsten Monatsersten seine Zahlungen einstellen wird.
    Und dann ein Postskriptum: Wie ich aus dem Internet erfahren mußte, bietet Michaela neuerdings ihre getragenen Strumpfhosen, Slips und Schlüpfer; sowie Bilder ihres ekelhaften Treibens zum Verkauf an. Wir sollten das Miststück im Auge behalten.
    Gezeichnet: †

14
    FRÜHSTÜCK ZU DRITT.
    »Und?« erkundigt sich Nora.
    »Und, was?«
    »Brauchbar? Unbrauchbar? Hinweise? Keine Hinweise? Ich hab Ihnen erzählt, was ich weiß. Jetzt sind Sie dran. Sie sind der große Detektiv. Ich bin nur ein Puzzleteil in einem Cluedo ohne Leiche.«
    Nora nippt an ihrem zirka zehnten Kaffee. Draußen vor dem Fenster geht schön langsam der Tag an, und Ella singt schon lang nicht mehr.
    »Ich bin, ehrlich gesagt, erschlagen von dem Kreuzschinder-Drama. Aus dem Grund kommt mir jetzt kein detektivisches Urteil über die Lippen, sondern nur die lapidare Feststellung, daß ich so was in meinem Leben noch nicht gehört hab und erst darüber schlafen muß. Und außerdem würd ich Ihnen gern das Du-Wort anbieten.«
    Ein Gedanke übrigens, der mich während ihrer grauslichen Geschichte bei Laune und über Wasser gehalten hat.
    »Spricht was dagegen?« erkundigt sich Nora mit einem Lächeln, das ganz viele Interpretationen zuläßt.
    »Kurt«, sage ich also, ums kurz und schmerzlos zu machen, und strecke ihr die rechte Hand hin.
    »Karin«, sagt Nora und schüttelt sie kräftig.
    Dann lacht sie.
    Wahrscheinlich über mein Gesicht, in dem man deutlich nachlesen kann, daß ich mit dieser Wendung des Falles absolut nicht gerechnet hab.
    »Oder Nora. Ich hab mit beiden kein Problem.«
    »Nora«, sage ich. »Nora paßt besser.«
    »Find ich auch«,

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