Kurz vor Mitternacht
Strange, Mrs Audrey Strange. Hm, ziemlich viele, die Strange heißen.»
«Soviel ich weiß, hat dieser Strange zweimal geheiratet», erläuterte Leach.
Battle zog viel sagend die Brauen in die Höhe.
Alle saßen um den Esstisch und versuchten so zu tun, als ob sie äßen.
Inspektor Battle musterte unverhohlen die Gesichter, die sich ihm zuwandten. Er schätzte sie nach seinem eigenen Maßstab ab. Sein Standpunkt wäre den Anwesenden sonderbar vorgekommen, hätten sie ihn gekannt. Solange der Täter nicht einwandfrei feststand, betrachtete Inspektor Battle einen jeden Menschen, der in einen Mordfall verwickelt war, als potenziellen Mörder.
Er blickte von Mary Aldin, die aufrecht und blass am oberen Ende des Tisches saß, zu Thomas Royde, der seine Pfeife stopfte, dann zu Audrey, die ihren Stuhl zurückgeschoben hatte, ihre Kaffeetasse in der rechten und eine Zigarette in der linken Hand hielt, zu Nevile, der benommen und verwirrt dreinblickte, und schließlich zu Kay, die die Ellenbogen auf den Tisch stützte, und deren Blässe trotz des Make-ups zu bemerken war.
Inspektor Battle dachte dabei: Angenommen, Miss Aldin wäre die Täterin. Kühler Mensch, tüchtige Person, würde ich sagen. Verliert nicht so leicht den Kopf. Der Mann neben ihr ist ein stilles Wasser… hat einen verkrüppelten Arm, ein undurchdringliches Gesicht… Minderwertigkeitsgefühle. Das ist vermutlich eine der beiden Gattinnen. Die ist zu Tode erschrocken. Komisch, wie sie die Tasse hält. Das ist Strange, den hab ich schon mal irgendwo gesehen. Er ist vollkommen mit den Nerven fertig. Die Rothaarige hat Temperament. Teufel nochmal. Außerdem hat sie Grütze im Kopf.
Mary Aldin stellte alle Anwesenden vor und sagte dann: «Wir sind völlig entsetzt, aber natürlich möchten wir alle Ihnen helfen, wenn wir können.»
«Um gleich damit zu beginnen», sagte Leach und hielt den Golfschläger hoch, «weiß jemand über diesen Golfschläger Bescheid?»
Mit einem kleinen Aufschrei rief Kay: «Wie grässlich! Ist sie damit…»
Nevile stand auf und kam um den Tisch herum.
«Sieht aus wie meiner. Darf ich mal sehen?»
«Jetzt ist er ganz in Ordnung», erwiderte Leach. «Sie können ihn untersuchen.»
Die Betonung des Wörtchens «jetzt» rief bei keinem Anwesenden eine Reaktion hervor. Nevile betrachtete den Golfschläger. «Der stammt aus meinem Sack», erklärte er. «Ich kann es Ihnen beweisen, wenn Sie mit mir kommen wollen.» Die beiden Beamten folgten ihm hinaus. Unter der Treppe befand sich ein Schrank, den Nevile öffnete. Battle hatte den Eindruck, dass der Schrank mit Rackets überfüllt war. Im gleichen Augenblick fiel ihm ein, wo er Nevile schon gesehen hatte.
«Ich habe Sie in Wimbledon Tennis spielen sehen, Mr Strange», sagte er.
Nevile wandte den Kopf halb zur Seite. «Ah ja?» Dann warf er die Rackets durcheinander, bis er die beiden Golfsäcke erreichte, die gegen Angelgeräte lehnten.
«Nur meine Frau und ich spielen Golf», erklärte er. «Und das da ist ein Männerschläger. Ja, es stimmt… es ist meiner.»
Er hatte den einen Sack hervorgeholt, der mindestens vierzehn Schläger enthielt.
«Ich danke Ihnen, Mr Strange. Damit wäre diese Frage geklärt.»
«Wissen Sie, was mich wundert?», sagte Nevile. «Dass nichts gestohlen worden ist. Und nirgends ein Zeichen eines Einbruchs…»
Seine Stimme klang verwirrt, aber es schwang auch Schrecken darin.
Battle dachte: Sie haben alle schon darüber geredet.
«Die Dienstboten sind vollkommen harmlos», fuhr Nevile fort.
«Ich werde mit Miss Aldin über die Dienstboten sprechen», sagte Leach. «Übrigens wüsste ich gern, mit welcher Anwaltskanzlei Lady Tressilian zu tun hatte.»
«Askwith und Trelawny in St. Loo», antwortete Nevile prompt.
«Besten Dank, Mr Strange. Wir müssen wegen der Erbschaft Erkundigungen einziehen.»
«Wollen Sie wissen, wer Lady Tressilian beerbt?», fragte Nevile.
«Ja, ganz recht. Das Testament und dergleichen.»
«Über das Testament weiß ich nichts Näheres», sagte Nevile. «Soviel mir bekannt ist, hinterlässt meine Tante kein eigenes Vermögen. Nach dem Testament ihres verstorbenen Mannes sind meine Frau und ich die einzigen Erben. Lady Tressilian verfügte zu Lebzeiten nur über die Zinsen des Vermögens.»
«Ach wirklich?»
Leach musterte Nevile erstaunt. Unter dem Blick blinzelte Nevile nervös.
«Haben Sie eine Ahnung, wie hoch das Vermögen ist, Mr Strange?», fragte Leach freundlich.
«Genau weiß ich es nicht. Ich
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