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Kurz vor Mitternacht

Kurz vor Mitternacht

Titel: Kurz vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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möchte Sie gern sprechen. Ich habe ihn in die Bibliothek geführt.»
    Erstaunt und leicht verärgert richtete Mary sich auf.
    «Wer ist es denn?»
    «Ein Mr MacWhirter.»
    «Nie gehört. Wird wohl ein Reporter sein. Sie hätten ihn nicht hereinlassen sollen, Hurstall.»
    Hurstall hüstelte.
    «Ich glaube nicht, dass er Reporter ist, Miss Aldin. Er scheint ein Freund von Mrs Audrey Strange zu sein.»
    «Oh, das ist etwas anderes.»
    Mary ging mit müden Schritten in die Bibliothek hinüber. Als der große Mann, der am Fenster stand, sich umdrehte, fühlte sie sich überrascht. Er sah so gar nicht nach einem Freund von Audrey aus.
    Trotzdem sagte sie liebenswürdig:
    «Es tut mir leid, aber Mrs Strange ist nicht da. Sie wollten mit ihr sprechen?»
    Nachdenklich prüfend musterte er sie.
    «Sie sind Miss Aldin.»
    «Ja.»
    «Nun, Sie können mir wohl ebenso gut helfen. Ich möchte gern ein Seil haben.»
    «Ein Seil?», wiederholte Mary verblüfft.
    «Ja, ein Seil. Irgendwo im Haus wird doch sicher ein Seil aufbewahrt?»
    Später dachte Mary, dass sie wohl halb hypnotisiert gewesen sein musste. Hätte dieser Fremde eine Erklärung vorgebracht, so wäre sie ihm nicht zu Willen gewesen, Andrew MacWhirter aber, dem keinerlei Erklärung einfiel, beschloss, einfach nur seinen Wunsch zu äußern.
    Ganz benommen hörte Mary sich selber fragen: «Was für ein Seil möchten Sie denn?»
    «Irgendeines.»
    «Vielleicht im Geräteschuppen…»
    Sie führte ihn hin. Dort fanden sich einige aufgerollte Schnüre und ein Bindfaden-Knäuel, doch MacWhirter schüttelte den Kopf. Er wollte ein Seil haben, ein Seil von beträchtlicher Länge und Stärke.
    Schließlich fanden sie das Gesuchte, als Mary die Tür des Abstellraumes öffnete. MacWhirter stand auf der Schwelle und blickte hinein.
    «Da ist es», sagte er befriedigt.
    Auf einer Kommode gerade neben der Tür lag ein aufgerolltes dickes Seil zusammen mit alten Angelgeräten und einigen mottenzerfressenen Kissen. MacWhirter ergriff Marys Arm und führte sie in den Raum, bis sie vor der Kommode standen.
    Er berührte das Seil und sagte: «Ich möchte Sie bitten, sich das zu merken, Miss Aldin. Sie sehen, dass alles ringsum von Staub bedeckt ist. Aber auf dem Seil ist kein Staub. Fassen Sie es mal an.»
    «Es fühlt sich ein bisschen feucht an», antwortete sie in verwundertem Ton.
    «Ganz recht.»
    Er wandte sich ab, um wieder hinauszugehen.
    «Aber das Seil? Ich dachte, Sie wollten es haben.»
    Mary war mehr als überrascht.
    Er lächelte.
    «Ich wollte mich nur überzeugen, dass es da ist. Vielleicht schließen Sie die Tür ab und nehmen den Schlüssel an sich, Miss Aldin? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie den Schlüssel Inspektor Battle oder Sergeant Leach aushändigen würden. Er wäre am besten in der Obhut der Polizei aufgehoben.»
    Als sie die Treppe hinuntergingen, bemerkte Mary: «Ich verstehe das Ganze nicht.»
    «Das ist auch nicht nötig.»
    In der Halle angelangt, ergriff MacWhirter ihre Hand und drückte sie herzlich.
    «Ich bin Ihnen für Ihre Mitarbeit sehr dankbar.»
    Worauf er schnurstracks zur Tür schritt.
    Mary fragte sich, ob sie wohl geträumt hatte!
    Kurz darauf kamen Nevile und Thomas herein, und gleich nach ihnen kehrte auch das Auto zurück. Mary ertappte sich dabei, dass sie Kay und Ted beneidete, weil die beiden fröhlich aussahen und miteinander scherzten. Aber schließlich, warum auch nicht?, dachte sie. Camilla Tressilian hatte Kay nichts bedeutet. Für ein strahlendes junges Geschöpf war es schwer, die Tragik des Geschehenen zu erfassen.
    Gerade hatten sie das Mittagessen beendet, als die Polizeibeamten eintrafen. In Hurstalls Stimme schwang ein erschrockener Unterton, als er meldete, dass Inspektor Battle und Sergeant Leach im Wohnzimmer seien.
    Battle begrüßte alle sehr freundlich.
    «Hoffentlich störe ich Sie nicht», sagte er entschuldigend. «Aber ich hätte gern noch ein paar Fragen gestellt. Wem gehört zum Beispiel dieser Handschuh?»
    Er hielt einen kleinen gelben Lederhandschuh in die Höhe und wandte sich an Audrey: «Vielleicht Ihnen, Mrs Strange?»
    Audrey schüttelte den Kopf.
    «Nein… nein, mir gehört er nicht.»
    «Miss Aldin?»
    «Ich glaube nicht. Ich habe keine Handschuhe dieser Farbe.»
    «Darf ich sehen?»
    Kay streckte die Hand aus.
    «Nein.»
    «Ziehen Sie ihn doch einmal an.»
    Kay versuchte es, aber der Handschuh war ihr zu klein. Auch Mary passte er nicht. Battle wandte sich abermals an Audrey.
    «Ich denke, dass er

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