Kurz vor Mitternacht
meilenweit. Der Fisch war grässlich tot!»
MacWhirters Nase bestätigte diese Feststellung.
«In einer Felsenspalte», erklärte Diana Brinton weiter. «Ich nahm ihn mit ins Wasser und versuchte, ihn zu waschen, aber das scheint nicht viel genützt zu haben.»
MacWhirter stimmte zu. Don, ein Drahthaarterrier von liebenswürdigem Charakter, sah beleidigt aus, weil seine Freunde ihn auf Armeslänge von sich fernzuhalten trachteten. «Meerwasser nützt nichts», sagte MacWhirter. «Heißes Wasser und Seife müssen es sein.»
«Ich weiß. Aber das lässt sich im Hotel nicht so leicht machen. Wir haben kein eigenes Badezimmer.»
Das Ende vom Lied war, dass MacWhirter und Diana den Hund durch einen Nebeneingang in MacWhirters Badezimmer schmuggelten und ihn tüchtig abrubbelten, wobei das ungleiche Paar durch und durch nass wurde. Don bedauerte es sehr, dass er nun nach Seife statt nach Fisch roch.
Der kleine Zwischenfall hatte MacWhirter in fröhlichere Stimmung versetzt. Er fuhr mit dem Bus nach Saltington, wo er einen Anzug von der Reinigung abholen wollte.
Das Mädchen hinter dem Ladentisch blickte ihn leicht verlegen an.
«Mr MacWhirter? Oh, leider ist Ihr Anzug noch nicht fertig.»
«Er sollte aber längst fertig sein.»
Man hatte ihm den Anzug schon für den vergangenen Tag versprochen.
«Nun, etwas Zeit müssen Sie uns schon lassen», entgegnete das Mädchen mit ausdruckslosem Lächeln.
«Unsinn!»
«Na, jedenfalls ist der Anzug noch nicht fertig.»
«Dann nehme ich ihn mit, wie er ist.»
«Aber er ist überhaupt noch nicht vorgenommen worden», wandte das Mädchen ein.
«Das ist mir egal. Ich nehme ihn mit.»
«Morgen hätten Sie ihn in tadellosem Zustand.»
«Nein, geben Sie ihn mir. Ich lasse mich auf keine Versprechungen mehr ein.»
Mit verärgerter Miene begab sich das Mädchen ins Hinterzimmer. Nach kurzer Zeit kehrte es mit einem nachlässig verschnürten Paket zurück, das sie über den Ladentisch schob.
MacWhirter nahm das Paket und ging.
Lächerlicherweise hatte er das Gefühl, einen Sieg errungen zu haben. Tatsächlich aber musste er den Anzug nun irgendwo anders reinigen lassen.
Nach seiner Rückkehr ins Hotel warf er das Paket aufs Bett und betrachtete es mit Widerwillen. Vielleicht konnte er den Anzug im Hotel säubern und bügeln lassen. Allzu schlimm sah er ja nicht aus – am Ende bedurfte er noch gar keiner chemischen Reinigung?
Er knüpfte das Paket auf. Sein Gesicht nahm einen zornigen Ausdruck an. Wirklich, diese Reinigung, die angeblich jeden Anzug binnen vierundzwanzig Stunden säuberte, taugte aber auch gar nichts! Das war nicht sein Anzug. Er hatte nicht einmal dieselbe Farbe! Er hatte einen dunkelblauen Anzug abgegeben. Solche Schlamperei.
Gereizt untersuchte er das Schildchen. Es trug ganz richtig den Namen MacWhirter. Gab es noch einen MacWhirter? Oder hatte man die Schildchen verwechselt?
Plötzlich schnüffelte er.
Diesen Geruch kannte er doch… ein besonders unangenehmer Geruch war’s… irgendwie hing er mit einem Hund zusammen. Richtig, ja… Fischgestank!
Er beugte sich über den Anzug und betrachtete ihn näher. Da war der Fleck… an der Schulter des Rockes. An der Schulter…
Das ist aber wirklich sonderbar… dachte MacWhirter.
Na, am nächsten Tage wollte er mit dem Fräulein von der Reinigungsanstalt ein Wörtlein reden! So eine Schlamperei!
35
Nach dem Nachtessen schlenderte MacWhirter zur Fähre hinunter. Es war ein klarer, aber kühler Abend, der schon den Vorgeschmack des Winters barg. Der Sommer war vorbei.
MacWhirter ließ sich zum Saltcreek-Ufer übersetzen. Zum zweiten Mal suchte er Stark Head auf. Der Ort übte eine gewisse Anziehungskraft auf ihn aus. Langsam ging er den Hang hinauf, am Hotel Baimoral vorbei und dann an einem großen Haus, das sich am Rande einer Klippe erhob. «Möwennest» – las er über der Tür. Natürlich, das war ja das Haus, wo der Mord passiert war. Im Hotel war viel darüber geredet worden, und sein Zimmermädchen hatte ihm alle Einzelheiten erzählt, aber MacWhirter interessierte sich mehr für große Politik als für regionale Verbrechen.
Er schritt weiter, wieder hügelabwärts, dann an einem kleinen Uferstreifen und an Fischerhäusern vorbei. Schließlich ging es abermals hinauf, bis der Weg in einen Pfad mündete, der zum Stark Head führte.
Wenig einladend war es auf dem Stark Head. MacWhirter stand am Rande der Klippe und blickte aufs Wasser hinunter. So hatte er auch an jenem Abend gestanden.
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