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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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betrunken herum, und wenn die Dunkelheit anbrach und Erka gegangen war, huschten die Schatten nächtlicher Autos durchs Zimmer und die Schatten von Menschen, die plauderten und lachten. Auch das Klirren von Flaschen und das Gluckern von Wodka waren zu hören. Immer dann, wenn sie das Fenster der frischen Luft wegen einen Spalt breit offen ließ.

    An Erka und Purew ließ sie kein gutes Haar. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn ihr Erka mit ihren fettigen Händen in die Haare griff. Ich hatte die mütterlichen Berührungen der weichen kleinen Hände geliebt. Es ödete sie an, mit Purew zum Markt Fleisch aussuchen zu gehen. Ich war mir wichtig vorgekommen, und es hatte mir Spaß gemacht, zu feilschen, für Nara hingegen stank der Markt, und wenn sie mit den Ellbogen versehentlich das Fleisch streifte, das dort an den Haken baumelte, sagte sie, wäre ihr immer übel geworden.
    Nara saß neben mir auf dem Bett, erzählte, hielt von Zeit zu Zeit inne, strich sich die Haare glatt, und ich konnte meine Augen auf ihr ruhen lassen.
    Ich dachte über Chiroko nach. Als Nara damals mit Mama zu ihr fuhr, war meine Schwester absonderlich gewesen, anders konnte das niemand nennen. Der Vorfall mit Dschargal gehörte zum Merkwürdigsten, was sich in unserer Familie je zutrug. Unsere ganze Sippe war immer vernünftig gewesen. Menschen wurden geboren, wuchsen heran, die Männer gingen mit der Herde hinaus, und die Frauen hatten ihre Pflichten im Ger, die Winter kamen und gingen, die Menschen wurden immer gebeugter, schliefen dann für immer ein, und der Stamm stand weiter in Blüte durch Nachkommen, die zuerst alle um die Erwachsenen herum im Staub spielten, um sich dann zu teilen in solche, die der Herde folgen, und solche, die ihre Kinder im Arm halten.
    Von Wahnsinnigen wurde bei uns immer nur erzählt. Großmutter war zwar eine Zauberin gewesen, wenigstens glauben wir das alle seit ihrem Tod immer mehr, doch tat sie nie etwas, was man nicht verstehen konnte. Sie war manchmal geheimnisvoll, weil sie mehr wusste als wir, und sie verfügte über Macht, hatte aber, bevor sie im Alter das Fleisch für die
Chuuschuur zu salzen vergaß, alle ihre häuslichen und anderen Pflichten erfüllt, wie es zu sein hat.
    Das Geheimnisvolle an Nara war anders. Nachdem es sie gepackt hatte, hörte sie auf, eine von uns zu sein. Von uns Frauen, die ihren Platz kennen, die wissen, wann es sich schickt zu sprechen, und wo der trockenste Argal zu sein pflegt, was man mit einem Kind tut, das andauernd schreit, und wie man einen Milchtee zubereitet, mild wie das zarte Bäuchlein neugeborener Kamele. Das hörte Nara auf zu sein.
    Ich wusste zwar nicht, was bei Chiroko mit Nara geschehen war, ich wusste ja nicht einmal, wo Chiroko sich aufhielt, fest stand jedoch, dass Chiroko uns Nara nicht zurückgegeben hatte. So kam es mir vor, als Nara neben mir auf dem Bett saß und von den endlosen schlechten Jahren erzählte, ausgefüllt damit, Resopaltische zu waschen, und damit, Reis in angeschlagene Essschalen zu werfen, von Jahren, vergällt durch den dicken Purew, dessentwegen man sich in der Küche nicht rühren konnte, und seine Frau mit den ewig roten Wangen und schmutzigen Fingern, die sie in die Töpfe steckte, um die Brühe zu kosten, die ohnehin immer nach demselben roch - nach ranzigem Talg und billigem Suppengemüse.
    Ich spürte zum ersten Mal, dass ich mich mit Nara nicht verstand. Wenn ich mich daran erinnerte, wie ich mit Erka die neuen rosa Tischtücher aussuchte, die Nara dann voller Abscheu scheuerte, Verwünschungen ausstoßend, wie wir die Vase kauften, die dann mit täglich frischen Blumen auf der Theke stand, und wie Nara sie lieber kaputtschlug, als die Blumen zu wechseln und, wie sie sagte, ewig durch die kahlen Stauden zu blinzeln. Wenn ich daran dachte, kamen mir die Tränen. Und dabei hatte Erka Nara so gelobt. Ich konnte diese Wohltaten, die sie einem Mädchen vom Land erwiesen,
nicht mehr ertragen, brach es plötzlich aus Nara hervor. Ich konnte nicht, verstehst du? Das Verstehst-du? brüllte sie.
    Nie zuvor hatte sie mich so böse angeblickt. Noch nie war sie mir so fern gewesen.
    Ich zog die Decke hoch bis an die Augen und spürte den Riss, den Naras Worte wie ein Beil zwischen uns hauten, und wie sich mit jeder Sekunde diese Stille zu einem gähnenden Abgrund weitete, den keine von uns je würde überspringen können. Ich kannte all diese Worte und ihre Bedeutungen, warum aber Nara so sprach, begriff ich nicht. Wer hatte ihr Böses

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