Kurzgayschichten
ziemlich jeden Autofahrer schräg von der Seite angemacht, der nicht mindestens 130 gefahren war.
Ich trat von einem Fuß auf den anderen, ich war irgendwie aufgeregt. Was sollte ich nur sagen? Bloß nicht darüber nachdenken, Spontanität war immer die beste Lösung!
Ich klingelte flüchtig und strich noch einmal meine Klamotten glatt. Vielleicht hätte ich mich umziehen sollen? Die gute Hose und ein weißes Hemd wären vielleicht angebracht gewesen.
Ich wartete.
Verdammt, wieso öffnete denn keiner? Es brannte doch überall Licht.
War Sebastian am Ende doch zu sauer auf mich und wollte mich gar nicht mehr wiedersehen?
Mit zittrigen Händen klingelte ich noch einmal.
Wieder kein Zeichen.
Langsam wurde ich verrückt, mein Gott ich wollte ihn doch so sehr!
Ein letztes Mal klingelte ich verzweifelt und war schon drauf und dran wieder loszufahren, als endlich die Tür geöffnet wurde.
Ich wollte ihn eigentlich gleich umarmen und gar nicht mehr loslassen, aber ich stockte von einer Sekunde auf die nächste. Wenn Sebastian nicht innerhalb der paar Stunden brünett und um zwei Köpfe größer als ich geworden war, dann stand hier eine völlig fremde Person vor mir.
„Und wer bist du?“ Der Braunhaarige sah mich abschätzend an.
Wer war das denn? Der Typ war ja unglaublich groß und zudem auch noch beunruhigend attraktiv. Hatte Sebastian etwa schon wieder einen Neuen gefunden?
„Also ich bin René, ich ...“, ich wollte noch irgendwas hinzufügen, aber der Typ unterbrach mich einfach.
„Na, dann komm mal rein, Herzensbrecher!“ Er trat einen Schritt zur Seite und bedeutete mir einzutreten.
Irgendwie war das alles komisch, wieso ließ dieser Fremde mich in Sebastians Wohnung? Wo war er?
Ich folgte dem Typen in die Küche und setzte mich ihm gegenüber auf den Stuhl.
Irgendwie wurmte mich diese Geheimniskrämerei, ich wollte endlich Sebastian sehen und mich bei ihm entschuldigen.
„Also mir ist eigentlich egal, wer du bist, wo ist Sebastian?“, kam es spontan aus mir herausgesprudelt und der andere musterte mich etwas geringschätzig.
„Mal langsam, René, so einfach ist das hier nicht ...“
Ich sah ihn fragend an.
„Ich bin Georg, Bastis Ex ...“
Ich schluckte kurz. Gut, das wäre geklärt. Und nun?
„Aha ...“, war alles was ich sagen konnte. „Und wo ist Sebastian?“
Er sah mich mit undeutbarer Mine an. „Auf dem Klo, kotzen!“
„Wie bitte?“ Wollte der Typ mich für blöd verkaufen?
Er sah mich ernst an. „Es gibt da eine Menge Dinge, die du wohl noch nicht weißt, René ...“
„Dann erzähl ...“ Natürlich würde ich jetzt lieber mit Sebastian reden, aber ich wollte schon wissen, was Phase war.
„Kaffee?“ Er sah mich fragend an, aber ich verneinte, ich wollte die Sache schnell hinter mich bringen.
„Gut, dann mach ich’s kurz, Sebastian hat Essstörungen.“
Ich sah ihn verständnislos an.
Ja, Sebastian war ziemlich dünn, aber deswegen musste er ja nicht magersüchtig oder so sein.
„Du meinst, er hat Bulimie?“
Georg schüttelte den Kopf. „Nein, er frisst sich nicht voll um zu kotzen, er isst einfach nichts mehr, wenn er depressiv wird und kotzt dann, verstehst du?“
Ich schüttelte den Kopf. Ich meine, ich verstand schon, aber ich begriff einfach nicht. Wieso sollte Sebastian so depressiv sein?
Georg seufzte.
„Du musst wissen, dass Sebastian keineswegs durch Diäten abgenommen hat, er hat schlichtweg aufgehört zu essen und kam dann irgendwann ins Krankenhaus.“
Er sah mich direkt an. „Die Ärzte haben ihn wieder halbwegs hingekriegt und er hat auch zeitweise ein ganz normales Leben geführt, aber immer, wenn etwas schief ging, fing es wieder an ...“
Irgendwie war das alles trotz allem unverständlich für mich. Wieso tat Sebastian sich das immer wieder an?
„Als wir uns damals getrennt haben, wurde es richtig schlimm und ich war wirklich froh, als er nach einiger Zeit endlich zur Vernunft gekommen war, aber jetzt ist es wieder so ...“
Ich sah ihn fragend an. „Wegen mir?“
Er nickte schwach.
Oh man, noch nie hatte ich mich so gehasst wie in diesem Moment. Hätte ich heute morgen nur ein bisschen nachgedacht, wäre es sicher nicht so weit gekommen.
„Ich bin froh, dass du zurückgekommen bist, René, ich weiß zwar nicht wirklich, was los war, aber ich wäre dir sehr verbunden, wenn du das Ganze regeln könntest.“
Ich seufzte und spielte mit den Enden der Tischdecke.
„Das heute Morgen war ein riesiges Missverständnis,
Weitere Kostenlose Bücher