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Kuschelmuschel

Kuschelmuschel

Titel: Kuschelmuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Dahl
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hassen. Ich habe nämlich das sonderbare Gefühl, dass du mich hasst. Ja, dass du mich noch nach all diesen Jahren hasst. »
     
«Anna», sagte er.
     
«Ja, Conrad? »
     
Er rückte seinen Sessel näher an den Tisch heran und beugte sich vor. «Ist es dir je in den Sinn gekommen... »
     
Er verstummte.
     
Sie wartete.
     
Er wirkte auf einmal so tiefernst, dass sie sich ebenfalls vorbeugte.
     
«Was soll mir in den Sinn gekommen sein? », fragte sie.
     
«Dass du und ich... dass wir beide... noch einen Schlusspunkt zu setzen haben? »
     
Sie starrte ihn an.
     
Er starrte zurück. «Sei nicht schockiert», sagte er. «Bitte. »
     
«Schockiert? »
     
«Du siehst aus, als hätte ich dich soeben gebeten, mit mir zusammen aus dem Fenster zu springen. »
     
Die Bar war jetzt voll besetzt. Es war sehr laut. Fast wie auf einer Cocktailparty. Man musste fast schreien, um sich verständlich zu machen.
     
Conrads Augen ruhten auf ihr mit einem ungeduldigen, fast gierigen Blick.
     
«Ich hätte gern noch einen Martini», sagte sie.
     
«Muss das sein? »
     
«Ja», sagte sie, «das muss sein. »
     
In ihrem ganzen Leben hatte sie ausschließlich mit einem einzigen Mann geschlafen: mit ihrem Ehemann. Mit Ed. Und es war jedes Mal schön gewesen.
     
Dreitausend Mal?
     
Wahrscheinlich öfter. Wahrscheinlich viel öfter. Wer zählt so etwas?
     
Angenommen jedoch, dass die genaue Zahl (es musste eine genaue Zahl geben) dreitausendsechshundertundachtzig betrug... und in dem Bewusstsein, dass es jedes Mal ein Akt reiner, leidenschaftlicher Liebe zwischen demselben Mann und derselben Frau gewesen war... wie um Himmels willen konnte dann ein ganz anderer Mann, ein ungeliebter Fremder hoffen, beim dreitausendsechshundertundeinundachtzigsten Mal für den anderen plötzlich einspringen zu können und auch nur in etwa willkommen zu sein?
     
Er wäre doch nur ein Eindringling.
     
Alle Erinnerungen würden zurückkommen. Sie würden daliegen und unter der Woge der Erinnerungen ersticken.
     
Genau dieses Argument hatte sie vor ein paar Monaten bei einer Sitzung mit Dr. Jacobs vorgebracht, und der alte Jacobs hatte geantwortet: «Es werden keine Erinnerungen kommen, das ist Unsinn, meine liebe Mrs. Cooper. Vergessen Sie das. Es wird für Sie nur die Gegenwart geben. »
     
«Aber wie soll ich das machen? », hatte sie ihn gefragt. «Woher soll ich den Mut nehmen, in ein Schlafzimmer zu gehen und mich vor einem ganz anderen Mann, einem Fremden, auszuziehen? Einfach so... eiskalt? »
     
«Eiskalt? », hatte er empört gerufen. «Mein Gott, liebe Frau, es wird Ihnen siedend heiß werden! » Und später hatte er dann gesagt: «Glauben Sie mir, Mrs. Cooper, jede Frau, die nach über zwanzig Jahren ständigen - und, wie ich verstanden habe, in Ihrem Fall außergewöhnlich aktiven - Sexuallebens plötzlich damit aufhört, leidet unter psychischen Störungen, bis sie ihre alten Gewohnheiten wieder aufnimmt. Sie fühlen sich jetzt sehr viel besser, das weiß ich. Aber es ist meine Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, dass Ihr Zustand noch keineswegs wieder ganz normal ist... »
     
Zu Conrad sagte Anna jetzt: «Das soll doch etwa nicht ganz zufällig ein therapeutischer Vorschlag sein - oder? »
     
«Ein was? »
     
«Ein therapeutischer Vorschlag. »
     
«Was um alles in der Welt soll das heißen? »
     
«Es klang genau, als hättest du mit meinem Dr. Jacobs zusammen ein Attentat auf mich ausgeheckt. »
     
«Hör mal», sagte er und beugte sich jetzt ganz über den Tisch, um mit einer Fingerspitze ihre linke Hand zu berühren, «als wir uns damals kannten, war ich zu jung und viel zu nervös, um dir einen solchen Vorschlag zu machen, auch wenn ich es noch so gern getan hätte. Außerdem glaubte ich ja, dass wir noch viel Zeit hätten. Ich stellte mir vor, wir hätten ein ganzes Leben vor uns. Woher sollte ich wissen, dass du mir den Laufpass geben würdest? »
     
Annas Martini kam. Sie nahm das Glas und begann hastig zu trinken. Sie wusste genau, welche Wirkung der Alkohol auf sie haben würde. Sie würde anfangen zu schweben. So war es immer nach dem dritten Martini. Wenn sie den dritten Martini trank, würde ihr Körper innerhalb von Sekunden schwerelos sein, und sie würde durch den Raum schweben wie ein Wölkchen Wasserstoffgas.
     
Sie saß da und hielt das Glas mit beiden Händen, als sei es ein Abendmahlskelch. Dann trank sie noch einen kräftigen Schluck, so dass nicht mehr viel im Glas übrig blieb. Über den Glasrand

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