Kuss der Ewigkeit
sie nicht nachfragte. Bobbys Halskette war etwas, das die meisten Gestaltwandler als einen absoluten Glückstreffer betrachteten. Ein natürlicher Gestaltwandler, also ein Shifter, dessen Eltern keine Gestaltwandler waren, mit einer Halskette war beinahe unerhört. Doch als Teenager waren wir gemeinsam zum Berg der Ältesten gereist. Zwei Wochen und nicht wenig inständiges Bitten waren nötig gewesen, doch dann hatten die Ältesten eingewilligt, ihm die Halskette zu machen. Er wäre jetzt nicht hier, wenn sie es nicht getan hätten. Der Luchs war seine natürliche Gestalt, und ohne die Halskette war er nur in der Lage, sich bis zu seiner Zwischengestalt zu verwandeln, ohne je wirklich menschliche Gestalt annehmen zu können. Nur reinblütige Gestaltwandler beherrschten sowohl menschliche als auch tierische Gestalten völlig.
Gil machte ein paar weitere Notizen auf ihrer Schriftrolle. » Du hattest recht. Das steht nicht in meinen Büchern. Ich kann’s kaum erwarten, meinen Bericht abzugeben! Meine Arbeit könnte veröffentlicht werden. Vielleicht geben sie sogar ein Seminar über meine Studien hier.« Ihr Lächeln breitete sich übers ganze Gesicht aus, und ihr Blick wurde abwesend.
Äh, hat da vielleicht jemand Größenwahn?
» Die Artikel, an denen wir interessiert sind?«, erinnerte ich sie.
Gils Augen wurden wieder klar. Wir verglichen Auszüge aus den Artikeln, so wie wir sie vorfanden. Meistens waren die Informationen gleich, doch gelegentlich warf die eine oder andere Zeile zusätzliches Licht auf die Angelegenheit, auch wenn die meisten wieder auf die Raves verwiesen.
Die ersten Opfer in Haven, das Mädchen auf dem Rave und das, das im Park gefunden wurde, waren am stärksten zerfleischt worden– die Worte des Reporters, nicht meine. Ich hatte das Gefühl, das Wort, nach dem er gesucht hatte, war » gefressen«, aber da konnte ich mir nicht sicher sein. Die ersten paar Artikel deuteten an, dass die Polizei den örtlichen Zoo überprüfte, um zu sehen, ob irgendwelche großen Raubtiere ausgebrochen waren. Natürlich hatte diese Suche nichts gebracht, und einer der Artikel behauptete, dass die Polizei die Tierart erst noch identifizieren musste, von der die Mädchen angegriffen worden waren. Beängstigenderweise hatten ein oder zwei Leserbriefe die Meinung geäußert, dass Werwölfe dafür verantwortlich wären. Zum Glück hielt man diese Leser für verrückt.
Einer der Briefe, die die Werwolfstheorie vorantrieben, bezog sich auf eine vor Kurzem entdeckte Leiche, von der der Verfasser glaubte, dass es sich dabei um einen Werwolf handelte. Beklommen suchte ich nach einem Artikel über die Leiche. Alles, was ich fand, war ein kurzer Text über einen stark verwesten Körper, der in den Wäldern südlich von Demur gefunden worden war. Ich runzelte die Stirn. Diese Stadt tauchte einfach immer wieder auf.
Ich rief das Internet auf und tippte » Demur« und ein paar Stichworte aus dem Text in die Suchmaschine ein. Die meisten Ergebnisse hatten nichts damit zu tun, doch ein paar von ihnen bezogen sich tatsächlich auf den mysteriösen Leichenfund. Ermittler berichteten, dass es sich um eine männliche Leiche handelte, doch die Todesursache konnte nicht mehr festgestellt werden. Aasfresser hatten den Körper auseinandergerissen, und viele der Knochen trugen Spuren von Zähnen oder Klauen, einige davon waren beinahe bis zur Unkenntlichkeit angenagt worden. Die Links zu den Seiten, die die Indizien zu entschlüsseln versuchten, spekulierten, dass es sich um einen Werwolf handelte, weil unter dem Torso Fell gefunden wurde, das von verwesendem Fett durchtränkt war. Außerdem gaben sie an, dass nicht alle gefundenen Knochen menschlich waren oder einem bekannten Tier zugeordnet werden konnten. Die Links zu den Skeptikern konterten im Gegenzug, dass das Fell möglicherweise von einem Mantel stammte, und wiesen darauf hin, dass sich unbekannte Knochen schlecht zur Identifizierung eigneten. Andere mutmaßten, dass der Körper vielleicht an derselben Stelle wie ein totes Tier abgelegt oder dorthin geschleift worden war, was sowohl das Fell als auch die gemischten Knochen erklären würde.
Ich druckte die Berichte aus, obwohl nicht einmal ich sagen konnte, ob da jemand über die Leiche eines Gestaltwandlers gestolpert war oder nicht. Wenn dem so war, dann hatte wahrscheinlich jemand der übernatürlichen Gemeinschaft bereits alle physischen Beweise, die am Fundort gesammelt worden waren, vernichtet. Ich fasste meine
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