Kuss der Ewigkeit
Universitätshomepage ein. Einige Klicks später blickten wir auf Sharons persönliche Informationen in der Datenbank der Schule.
» Die Adresse ist nicht weit von hier«, sagte Nathanial und fuhr den Computer herunter, » aber wir müssen uns beeilen. Die Morgendämmerung ist schon in ein paar Stunden.«
Mein Herzschlag verdoppelte seinen Rhythmus und hämmerte mir in den Ohren. Das hier war der Durchbruch, den wir brauchten. Eine Zeugin, die den Einzelgänger gesehen hatte. Jetzt mussten wir nur noch hoffen, dass sie ihren Angreifer identifizieren konnte.
KAPITEL 14
W ir traten aus der U-Bahnstation hinaus auf eine dicht von Mietshäusern gesäumte Straße. An den verfärbten Backsteinmauern prangten verblassende Graffiti, und schwere Eisengitter zierten die meisten Fenster. Niemand hatte den Gehweg geräumt, deshalb stapften wir durch eisigen Matsch, und die Feuchtigkeit durchweichte die Hosenbeine meiner Jeans. Beinahe hätte ich gejubelt, als Nathanial auf das Gebäude deutete, in dem sich Sharon Hogues Wohnung befand.
Die Sicherheitstür war nur angelehnt, das Gehäuse des Riegelschlosses herausgerostet. Ein verästeltes Netz aus feinen Sprüngen zog sich über das dicke Glas der Tür, mit zwei einschussgroßen Löchern in der Mitte. Nette Gegend. Nun, zumindest mussten wir uns keine Gedanken darüber machen, wie wir ins Gebäude kommen sollten.
» Kita und ich werden eine Einladung brauchen, um Sharons Heim zu betreten«, sagte er, als wir in den düsteren Hausflur traten.
» Ich dachte, du hattest gesagt, an diesem Mythos sei nichts Wahres dran.«
Er lächelte. » Ich sagte, dass du zu viele Filme siehst. Ich sagte nicht, dass sie unrecht haben.«
Was für ein Unterschied.
Wellige gelbe Tapeten, deren Farbe wahrscheinlich von jahrelangem Zigarettenqualm und nicht vom Muster stammte, blätterten von den Wänden des Flurs. Jemand hatte versucht, den Hausflur einladender zu gestalten, indem er eine kleine Topfpflanze aufgestellt hatte– der vertrocknete Stamm diente einem großen Spinnennetz als Behausung. Das schwach beleuchtete Treppenhaus knarrte bei jedem Schritt. Nach sieben Treppenabsätzen waren wir endlich auf Sharons Stockwerk. Wir scheuchten ein Nest von Kakerlaken auf, und Gil kreischte und machte einen Satz rückwärts.
Ich packte sie am Arm und zerrte sie zurück auf den Treppenabsatz. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie mich an. Dann wandte sie sich ab und blinzelte die engen Stufen hinunter, die wir emporgestiegen waren. Sie schluckte hörbar, und es war deutlich zu sehen, wie sie zitterte.
Ich ließ sie auf dem Treppenabsatz stehen.
Sharons Wohnung war leicht zu finden: Es war eine der wenigen Türen, die noch Nummern trugen. Ein winterlicher Türkranz aus gewundenen braunen Zweigen und weißen Mistelbeeren hing auf dem gestrichenen Holz, und ein Fußabstreifer mit dem Aufdruck Willkommen und glücklichen Feen darauf lag leicht verrutscht vor ihrer Türschwelle.
Nathanial deutete auf den Fußabstreifer. » Und schon wurden wir hereingebeten.«
» Was?«, fragte ich.
» Die Fußmatte heißt alle willkommen, die einzutreten wünschen. Genau aus diesem Grund besitze ich keine.«
Gut zu wissen. Ich blickte den Gang entlang und sah drei oder vier weitere Fußmatten. Was würden die Menschen nur denken, wenn sie wüssten, dass ihre freundlichen Fußabstreifer Monstern die Einladung erteilten, in ihre Wohnungen einzudringen?
Die Tür zum Treppenhaus quietschte, als sich Gil zu uns in den Gang gesellte. Sie hatte einen Hauch mehr Farbe als vorhin, als ich sie zurückgelassen hatte. » Will keiner von euch klopfen?«, fragte sie.
Sie sah mich an. Ich verwies auf Bobby und Nathanial. Keiner von ihnen rührte sich. Es war zu spät für Besucher, oder zu früh, das hing vom jeweiligen Blickwinkel ab. Was sollten wir zu Sharon sagen? Natürlich hatten wir Gil. Sie hatte eine Art an sich, die Menschen kooperativ zu stimmen.
Dennoch rührte sich niemand. Wir sahen wie Verschwörer aus, wie wir uns so vor der Tür drängten.
» Na schön, dann mach ich es.« Ich klopfte gegen das Holz.
Stille antwortete mir.
» Vielleicht schläft sie und konnte dich nicht hören«, meinte Bobby.
Ich klopfte ein wenig kräftiger. Ein wenig zu kräftig– das Holz splitterte unter meinen Knöcheln. Mist. Ich hatte vergessen, wie stark ich jetzt war.
Wir warteten. Kein Laut von drinnen.
Ungeduldig trat ich von einem Fuß auf den anderen. » Nun, das hätte Tote aufwecken können. Vielleicht ist sie
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