Kuss des Apollo
»Klose hat wohl Schuldgefühle, und er gibt ihr immer mal kleine Rollen. Falls er damit durchkommt. Nicht jeder Produzent ist so dusselig wie ich. Und nun behauptet Naumann, sie sei wunderschön. Auch Bronski soll von ihr begeistert sein.«
»Bronski ist ein Meister seines Fachs. Wenn er sie gut findet, dann ist sie gut.«
»Und Burckhardt ist auch von ihr begeistert. Außerdem wurde das Buch geändert. Der ganze Anfang, mit dem Klose es so wichtig hatte, ist gestrichen. Es bleibt nur eine Szene übrig, und die soll großartig sein. Was soll man dazu sagen?«
Charlotte lächelte sanft.
»Noch ein Glas Wein?«, fragte sie. »Oder möchtest du lieber Kaffee?«
»Weder noch. Ich bin ratlos. Was soll ich denn jetzt tun?«
»Du siehst dir erst mal an, was sie gemacht haben. Und wenn alle so begeistert sind von dieser Geraldine, gefällt sie dir jetzt vielleicht auch.«
»Ausgeschlossen.«
»Weißt du, es ist manchmal so, dass eine Frau sich verändert, sich entwickelt, zu einer Persönlichkeit wird, die man nie in ihr vermutet hat. Und bei einer Schauspielerin kann es das erst recht geben. Ich habe das auch erlebt. Ein Mädchen mit zwanzig ist eine Null, wie du das nennst, und mit dreißig ist es eine interessante Frau. Denke an Marlene Dietrich. Die war ein durchschnittlicher Pummel, und wie ist sie dann geworden, was ist aus ihr geworden.«
»Der Vergleich stimmt überhaupt nicht. Die Dietrich war im
Blauen Engel
wenigstens schon ganz hübsch. Und vor allen Dingen, sie war präsent. Außerdem ist Klose kein Sternberg.«
»Ich finde das faszinierend. Ich hoffe, du nimmst mich mit, wenn du dir die Aufnahmen ansiehst.«
»Bei der Bavaria werden sie begeistert sein, dich zu sehen. Und was heißt Aufnahmen. Es handelt sich ja nur noch um eine einzige Szene. Und wenn ich sie dann nicht alle hinauswerfe, können wir den ganzen Blödsinn noch mal von vorn anfangen. Und ich werde dir etwas sagen – ich denke nicht daran. Ich habe genug von Amphitryon. Total genug.«
»Jetzt rufst du erst mal Jana an, damit sie weiß, wo du steckst.«
»Dann muss ich ihr den ganzen Quatsch erzählen«, sagte er missgestimmt.
»Wieso denn? Du bist bei mir, weil ich morgen Geburtstag habe.«
Frobenius schlug sich mit der Hand vor die Stirn.
»Verdammt!«, sagte er. »Ich habe deinen Geburtstag noch nie vergessen.«
»Aber diesmal hast du. Hättest du. Beinahe. Du stehst eben auch unter Schock. Wie dein Herr Naumann es nennt.«
»Muss wohl so sein. Verzeih mir!«
»Was gibt es da zu verzeihen. Du bist da. Und morgen werden wir gemütlich Geburtstag feiern. Ich habe nur zwei Leute, die du auch kennst, eingeladen. Da können wir noch mal über alles reden. Falls du willst. Falls nicht, werden wir uns auch so unterhalten. Auf jeden Fall wirst du in nächster Zeit deine Nerven brauchen.«
Die Agraffe
So war es auch. Zunächst machte die Bavaria Theater, wollte die Conradi wegen Vertragsbruchs verklagen. Auch für Klose sollte die Angelegenheit nicht ohne Folgen bleiben.
Das duldete Frobenius wiederum nicht. Er sei der Produzent, die Bavaria nur beteiligt.
Klose ließ sich zunächst überhaupt nicht blicken. Er wollte den ganzen Anfang zusammenstellen, also die Aufnahmen von der Insel, die er ja reichlich hatte, und mitten hinein die inzwischen schon berühmte Abschiedsszene, über die sich Burckhardt genauso begeistert äußerte wie Bronski. Susanne Conradi war gar nicht nach München gekommen, sie war auf dem Weg nach Boston, wo sie ihren Bruder besuchen wollte. So ging sie zunächst mal allen Schwierigkeiten aus dem Weg, dem Ärger mit Produzent und Bavaria, den lästigen Fragen der Presse.
Die Bavaria war genauso wenig wie Frobenius willens, die Rolle der Alkmene der unbekannten Geraldine Bansa zu überlassen.
Doch alle Bedenken, aller Ärger verschwanden, lösten sich auf, als Klose seine Aufnahmen vom Beginn des Films vorführte. Das Meer, die Berge, der endlos blaue Himmel, die Bilder von der Insel und dann, von allen Seiten eingefangen, das Amphitheater.
Nur flüchtige Aufnahmen von den Statisten – das Personal, die Soldaten, die Offiziere –, sie gingen wie Schemen durch das Bild, doch dann traten Alkmene und Amphitryon in die Mitte des Runds, er den Arm leicht um ihre Schulter gelegt. Dann standen sie voreinander, der kurze Dialog, ihr Griff nach der Agraffe, sein Lächeln, der Kuss.
Nachdem die Experten das gesehen hatten, blieb es lange still. Geraldine und Burckhardt waren nicht geladen. Aber Charlotte
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