Kuss des Apollo
Siebzigerjahre aus dem Geschäft zurückgezogen. Ihr Mann, der den kaufmännischen Bereich von Produktion und Verleih geleitet hatte, war gestorben. Sie bewohnte ein prachtvolles Haus in Grünwald mit großem Garten und Pool, sie hatte zwei Hunde und nicht zuletzt einen erstklassigen Butler, den sie sich aus England mitgebracht hatte. Es gab bei ihr vorzüglich zu essen, mehrere Gänge, doch immer nur kleine Portionen, man konnte sich gut dabei unterhalten. Frobenius musste an das Essen im vorletzten Jahr denken, als sie bei der Ente von diesem Film gesprochen hatten. Besser gesagt, nach der Ente.
Klose mokierte sich damals darüber, dass man so ausführlich über das Essen sprach, und Will Loske meinte, einen Film über gutes Essen und was man dabei empfand, sollte man ruhig einmal drehen, das sei gute Unterhaltung.
Er erzählte es, und Charlotte Gadomsky, die Will natürlich kannte, nickte.
»Wäre mal was anderes als Mord und Totschlag und die scheußlichen Szenen aus der Pathologie, die jetzt in Mode sind. Trotzdem hat Will an jenem Abend dem Amphitryon-Projekt zugestimmt.«
»Er wusste gut Bescheid über die Story. Er fand die Idee großartig. Ich übrigens auch. Ich ahnte ja nicht, wie sich das entwickeln würde. Klose jedenfalls war ganz besessen von diesem Stoff.«
»Er hat oft ausgefallene Ideen. Ich erinnere mich an seinen Provence-Film. Der war nicht schlecht, aber zu abgehoben. Auch zu meiner Zeit, ganz ohne Fernsehen, musste man den Geschmack eines breiten Publikums treffen. Man kann keine Filme für eine Elite machen. Das haben sich die Franzosen eine Zeit lang erlaubt. Das wurde hoch gelobt, aber schlecht verkauft.«
James servierte das Dessert.
»Wie geht es Jana?«, fragte Charlotte höflich.
»Sie ist mit den Jungs auf Sylt.«
»Wie alt sind die beiden jetzt eigentlich?«
»Alexander ist vierundzwanzig, er studiert in Oxford. Jörg ist neunzehn und wird so Gott will nächstes Jahr sein Abitur machen. Einmal ist er schon sitzen geblieben. Er hasst die Schule.«
»Kommt öfter vor. Was will er denn werden?«
Frobenius seufzte. »Schauspieler.«
»Wozu braucht er dann das Abitur? Schick ihn lieber auf eine gute Schauspielschule. Hier in München haben wir eine. So, und nun erzähl mal, was mit deinen Griechen los ist. Du hast dich am Telefon ziemlich verzweifelt angehört.«
»Ich kann nur berichten, was Naumann mir mitgeteilt hat. Da herrscht das reine Chaos.«
Charlotte hörte schweigend zu. Dabei streichelte sie den Kopf des Hundes, der auf ihrem Knie lag. Es war ein schwarzer Mischling, mittelgroß, schlank und langbeinig. Der andere Hund, ein hellbraun gestreifter Mischling, saß auf den Stufen der Terrasse und blickte aufmerksam in den dunkelnden Garten hinaus. Beide Hunde stammten aus dem Tierheim, sie waren gut erzogen, folgsam und klug. Charlotte holte sich ihre Hunde immer aus dem Tierheim, und sie verstand es binnen vier, höchstens sechs Wochen, aus einem ausgestoßenen, heimatlosen Niemand ein vernünftiges Mitglied des Haushalts zu machen.
Am meisten interessierte sie der Austausch der Hauptdarstellerin. »Ich will nicht behaupten, dass so etwas früher nie vorgekommen ist. Es kann sich um Krankheit handeln, um einen Unfall. Oder dass man feststellt, die engagierte Schauspielerin ist total unbegabt. Aber das weiß man eigentlich vorher. Und Susanne Conradi ist immerhin jemand. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie die Rolle so ohne weiteres an eine ganz unbekannte Kollegin abgetreten hat.«
»Der Tausch ist ganz friedlich und freundlich vor sich gegangen, behauptet Naumann. Allerdings war die Conradi sowieso nicht sehr glücklich mit der Rolle, sie hat pausenlos gemeckert.«
»Trotzdem ist es unwahrscheinlich. Und diese Neue? Du kennst sie?«
»Sie ist eine Null. Unbegabt und erfolglos, sieht nach nichts aus. War früher mal mit Klose liiert.«
»Aha.«
»Nichts aha. Das ist lange vorbei. Es war überhaupt überflüssig, dass sie auf dieser Reise dabei war. Wir haben immerhin schon eine Menge hier gedreht. Das können wir jetzt alles wegschmeißen.«
»Du äußerst dich nicht gerade sehr freundlich über diese … Wie heißt sie?«
»Klose nennt sie Geri. Eigentlich heißt sie Geraldine.«
»Geraldine. Eine Tochter Chaplins.«
»Konnte ich mir denken, dass du das weißt. Will wusste es erstaunlicherweise auch.«
Er erzählte kurz, was sich an jenem Abend, als sie über das Projekt sprachen, zugetragen hatte. »Sie sieht nach nichts aus«, wiederholte er.
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