Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
hierzubleiben.«
Ich nickte. »Er bestraft sich für Yesubais Tod.«
Überrascht blickte mich Mr. Kadam an. »Er hat mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Ja. Er hat mir erzählt, was geschehen ist, als Yesubai starb. Er gibt sich die Schuld. Nicht nur an ihrem Tod, sondern auch daran, was mit ihm und Ren passiert ist. Kishan tut mir sehr leid.«
»Für einen derart jungen Menschen sind Sie äußerst mitfühlend und scharfsichtig, Miss Kelsey«, erklärte Mr. Kadam weise. »Ich bin froh, dass Kishan sich Ihnen anvertrauen konnte. Es gibt also noch Hoffnung für ihn.«
Ich half ihm, seine Papiere aufzusammeln und den Stuhl und den Tisch zusammenzuklappen. Als wir fertig waren, klopfte ich Ren leicht auf die Schulter, um ihn wissen zu lassen, dass wir abreisebereit waren. Er stand langsam auf, drückte den Rücken durch, zuckte mit dem Schwanz und rollte dann die Zunge zu einem riesigen Gähnen. Nachdem er den Kopf gegen meine Hand gerieben hatte, folgte er mir zum Jeep. Ich sprang auf den Beifahrersitz und ließ die hintere Wagentür offen, damit sich Ren auf der Rückbank breitmachen konnte.
Auf unserer Fahrt zurück zur Autobahn schien es Mr. Kadam tatsächlich zu genießen, sich durch den Hindernisparcours aus Baumstümpfen, Büschen, Felsen und Schlaglöchern zu schlängeln. Die Stoßdämpfer des Jeeps waren vom Allerfeinsten, aber ich musste mich dennoch am Türgriff und dem Armaturenbrett festklammern, um mir nicht den Kopf am Dach zu stoßen. Schließlich erreichten wir die Autobahn und fuhren Richtung Südwesten.
»Erzählen Sie mir von Ihrer Woche mit zwei Tigern«, ermunterte mich Mr. Kadam.
Ich warf einen raschen Blick zu Ren auf dem Rücksitz. Er schien eingeschlafen zu sein, weshalb ich entschied, mit der Jagd zu beginnen und dann alles andere zu erzählen. Nun ja, so ziemlich alles andere. Ich redete nicht über die Kuss-Geschichte, was nicht daran lag, dass ich dachte, Mr. Kadam würde es nicht verstehen; das hätte er sicherlich. Ich konnte nur nicht darauf vertrauen, dass Ren auf der Rückbank tatsächlich schlief, und ich war noch nicht bereit, meine Gefühle zu offenbaren, weshalb ich diesen Teil aussparte.
Mr. Kadam war sehr daran gelegen, mehr von Kishan zu erfahren. Er war sprachlos gewesen, als Kishan aus dem Dschungel aufgetaucht war und um Nahrung für mich gebeten hatte. Er meinte, Kishan habe sich seit dem Tod seiner Eltern für nichts und niemanden mehr interessiert.
Ich erzählte ihm, wie mir Kishan fünf Tage Gesellschaft geleistet hatte, während Ren auf der Jagd gewesen war, und dass er mir anvertraut hatte, wie er Yesubai begegnet war. Ich versuchte, nur im Flüsterton von ihr zu sprechen, um Ren nicht aufzuregen. Mr. Kadam schien meine Verschlüsselungstaktik zu verwundern, er ließ mich jedoch gewähren. Er nickte, lauschte gebannt meinen Ausführungen über Sie-wissen-schon-was und D ie-Sache-die-an-jenem-Ort-geschehen-ist .
Dann wurde es mir zu mühsam und ich wechselte das Thema und fragte nach Rens und Kishans Kindheit.
»Ach. Die Jungen waren der ganze Stolz ihrer Eltern – königliche Prinzen, die ein Talent dafür hatten, in Schwierigkeiten zu geraten und sich dann mit viel Charme herauszuwinden. Sie bekamen alles, was sie sich wünschten, aber sie mussten hart arbeiten, um es sich zu verdienen.
Deschen, ihre Mutter, war eine unkonventionelle Frau für Indien. Manchmal verkleidete sie die Jungen, damit sie mit armen Kindern spielten. Ihre Kinder sollten allen Kulturen und religiösen Bräuchen offen gegenüberstehen. Die Hochzeit mit ihrem Vater, König Rajaram, war eine Vermischung zweier Kulturen. Er liebte sie und war sehr nachsichtig mit ihr, scherte sich nicht darum, was andere über sie dachten. Die Jungen genossen in ihrer Erziehung das Beste aus beiden Welten. Sie erlernten alles, von Politik und Kriegskunst bis hin zu Viehzucht und Ackerbau. Sie wurden an den Waffen Indiens ausgebildet und hatten außerdem die besten Lehrer des Reiches zur Verfügung.«
»Hatten sie auch andere Dinge im Kopf? Normale Teenagersachen?«
»Welche Dinge würden Sie denn interessieren?«
Ich zuckte nervös. »Hatten sie … Dates?«
Mr. Kadam hob eine Augenbraue. »Nein. Keinesfalls. Die Geschichte, über die wir eben sprachen«, er zwinkerte mir zu, »diese Sie-wissen-schon-was , ist das einzige Liebesabenteuer, das mir zu Ohren gekommen ist. Um ehrlich zu sein, sie hatten keine Zeit für so etwas, und beide Jungen wären sowieso arrangierte Ehen eingegangen.«
Ich lehnte
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