Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
es. Fanindras Augen trübten sich ein und ihr Licht schwand. Ihre Augen verwandelten sich wieder in glitzernde Smaragde. Etwas Sonderbares war im Gange. In den vergangenen Wochen hatte ich mich an einiges gewöhnen müssen, was das Übernatürliche betraf, aber das hier kam selbst mir eigenartig vor.
Ich konnte nicht wirklich sagen, woher das Licht stammte. Es schien von vorne einzufallen. Wir folgten buchstäblich dem Licht am Ende des Tunnels. Ich hatte das Gefühl, als steckte ich in einem meiner Albträume, in denen es nie hell, gleichzeitig aber auch nicht dunkel war. Ein lauerndes Übel sickerte in mein Unterbewusstsein, und eine gewaltige Macht jagte mich, wollte sich mir in den Weg stellen und all jene verletzen, die ich liebte.
Der wirbelnde Nebel schien uns zu verfolgen. Solange wir gingen, waberte er knapp vor uns und versperrte uns die Sicht auf den Pfad. Hielten wir an, sammelte er sich und umkreiste uns wie kleine, diesige Wolken auf einer Umlaufbahn. Der kalte graue Dunst tastete unsere Haut ab wie eisige Finger auf der Suche nach unserer Achillesferse.
Der Boden fühlte sich auf einmal anders an. Anstatt auf Stein zu gehen, sanken meine Füße leicht im feuchten Gras ein. Die Wände waren moosbedeckt, dann mit Gras und bald mit kurzem, festem Farnkraut bewachsen. Ich fragte mich verwundert, wie es in dieser feuchten, dämmrigen Umgebung überleben konnte.
Die Wände standen nun weiter auseinander, bis ich ihre Umrisse überhaupt nicht mehr ausmachen konnte. Die Decke öffnete sich zu einem grauen Himmel. Es gab keine Tiefe, und dennoch konnte ich kein Ende sehen. Alles hier wirkte wie eine künstliche Biosphäre, jedoch nicht von Menschenhand geschaffen. Es war, als ginge ich auf einem fremden Planeten spazieren.
Unser Weg schlängelte sich bergab und ich musste mich auf jeden Schritt konzentrieren. Bald erreichten wir einen Wald voller sonderbarer Pflanzen und Bäume, die sich hin und her wiegten, als zerrte ein Sturm an ihnen, doch ich spürte nicht die leichteste Brise. Die Bäume standen so eng beisammen und die Büsche waren so dicht, dass der Pfad nur schwer erkennbar war, und dann verschwand er gänzlich.
Ren blieb vor mir und schlug mit seinem Körper eine Bresche. Ich arbeitete mich hinter ihm durchs Gestrüpp. Die Bäume hatten lange Äste, die wie bei Trauerweiden auf den Boden hingen. Ihre fedrigen Zweige kitzelten meine Haut. Ich kratzte mich am Hals und bemerkte, dass er feucht war.
Ich schwitze. Komisch, ich habe mich gar nicht angestrengt. Vielleicht ist Wasser von den Ästen herabgetropft. Etwas Schmieriges klebte an meiner Hand. Das grünliche Licht gab der Flüssigkeit einen Braunstich. Was ist das? Baumsaft? Nein! Blut!
Ich pflückte einen der fedrigen Zweige und besah ihn mir genauer. Überrascht stellte ich fest, dass seine Unterseite mit winzigen Nadeln übersät war. Ich streckte den Finger aus, um sie zu berühren, da streckten sich die Nadeln in Richtung meiner Hand. Ich bewegte den Finger hin und her, und die Nadeln schwankten, folgten meinem Finger wie Magneten.
»Ren, bleib stehen! Die Zweige zerkratzen uns. Sie haben Nadeln auf der Unterseite, die unseren Bewegungen folgen. Das ist die dornige Gefahr von oben!«
Als wir stehen blieben, glitten die fedrigen Zweige von oben herab und wickelten sich um Rens Hals und den Schwanz. Ren sprang auf und riss sie sich mit aller Gewalt vom Leib.
»Wir müssen weglaufen, oder sie hüllen uns ein und töten uns!«, rief ich.
Ren verdoppelte seine Anstrengungen, einen Weg durchs Unterholz zu schlagen. Ich rannte ihm hinterher. Der Wald schien endlos zu sein, ohne ein Anzeichen, dass die Bäume weniger wurden. Nach weiteren fünfzehn Minuten musste ich langsamer gehen, fühlte mich unsagbar müde. Ich konnte einfach nicht weiterlaufen.
Keuchend schnaufte ich: »Ren, ich bin langsamer als du. Geh ohne mich weiter. Du schaffst es bis zur Baumgrenze. Bestimmt.« Er blieb stehen, drehte sich um und war mit einem Satz an meiner Seite. Schon senkten die Äste sich her ab und schlangen ihre krausen Ranken um seinen Körper.
Er knurrte und grollte, hieb dann mit den Klauen gegen die Äste, die zurückwichen, aber nur für einen Moment. Ich spürte, wie sich ein Zweig bedächtig um meinen Arm wand, und wusste, dass meine letzte Stunde geschlagen hatte. Tränen schossen mir in die Augen, und ich kniete mich hin, um Rens Wange zu streicheln.
»Ren, geh! Bitte lass mich zurück!«, flehte ich.
Er änderte seine Gestalt und legte
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