Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
wir unsere Flughöhe erreicht hatten, schlug er mir vor, einen Film anzuschauen. Nilima reichte mir eine Liste und ich suchte mir den längsten aus: Vom Winde verweht .
Sie ging zur Bar, drückte einen Knopf an der Wand, und eine große weiße Leinwand glitt seitlich heraus. Mein Sitz, der zu allem Überfluss mit einer Fußstütze ausgestattet war, ließ sich mühelos herumschwenken, damit ich der Leinwand gegenübersaß. Ich machte es mir gemütlich und verbrachte die Zeit mit Scarlett und Rhett.
Als ich schließlich bei »Morgen ist auch noch ein Tag« angelangt war, stand ich auf und streckte mich. Ich sah aus dem Fenster, wo mich schwarze Dunkelheit empfing. Es war wahrscheinlich erst siebzehn Uhr, doch in unserer momentanen Zeitzone vermutlich bereits später Abend.
Nilima kam lautlos herbei und verstaute die Leinwand, bevor sie den Tisch wieder ausfuhr.
»Vielen herzlichen Dank für die köstlichen Mahlzeiten und vielen Dank für den wunderbaren Service«, sagte ich.
»Ja, vielen Dank, Nilima.« Mr. Kadam zwinkerte ihr zu und sie neigte kaum merklich den Kopf und verschwand.
Erneut verbrachte ich eine angenehme Zeit mit Mr. Kadam. Diesmal unterhielten wir uns über sein Land. Er wusste viele interessante Dinge zu berichten und beschrieb faszinierende Orte in Indien. Ich hoffte sehr, dass mir die Zeit bleiben würde, einige dieser Dinge zu sehen oder zu tun. Er sprach von uralten indischen Kriegsherren, mächtigen Festungen, feindlichen Angreifern und schrecklichen Schlachten. Während ich seinen Erzählungen lauschte, hatte ich das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein.
Nilima brachte uns gefülltes Masala-Hühnchen mit gegrillten Zucchini und Salat. Ich war froh über diese halbwegs gesunde Mahlzeit, auch wenn sie vor dem strengen Urteil meiner Pflegeeltern auf keinen Fall bestanden hätte, doch dann brachte Nilima zum Nachtisch eine warme Schokoladentarte mit flüssigem Kern.
Ich seufzte. »Warum muss alles, das schlecht für einen ist, immer so traumhaft lecker sein?«
Mr. Kadam lachte. »Ginge es Ihnen besser, wenn wir uns eine teilen würden?«
»Und wie«, grinste ich, schnitt meine Schokoladentarte in der Mitte durch und schob seine Portion auf einen sauberen Teller, den Nilima geholt hatte.
Ich leckte die heiße Schokoladensoße von meinem Löffel. Das Leben – zumindest der heutige Tag – war schön. Sehr schön. Daran könnte ich mich gewöhnen.
Während der nächsten Stunden unterhielten wir uns über unsere Lieblingsbücher. Er mochte die Klassiker ebenso sehr wie ich, und wir amüsierten uns blendend, all die unvergesslichen Figuren aufleben zu lassen: Hamlet, Kapitän Ahab, Dr. Frankenstein, Robinson Crusoe, Jean Valjean, Jago, Hester Prynne und Mr. Darcy. Er machte mich ebenfalls mit einigen indischen Figuren bekannt, die interessant klangen, wie Arjuna, Shakuntala – und schließlich Gengi aus der japanischen Literatur.
Ein Gähnen unterdrückend, ging ich noch einmal hinter zu Ren, um nach ihm zu sehen. Ich griff durch die Stäbe, tätschelte ihm den Kopf und kraulte ihn hinterm Ohr.
Mr. Kadam beobachtete mich und sagte: »Miss Kelsey, haben Sie denn keine Angst vor dem Tiger? Glauben Sie nicht, er könnte Sie verletzen?«
»Ich denke schon, dass er mich verletzen könnte, aber ich weiß, dass er mich nicht verletzen würde . Es ist schwer zu erklären, doch ich fühle mich bei ihm sicher, beinahe als wäre er ein Freund und kein wildes Tier.«
Mr. Kadam schien nicht besorgt zu sein, nur neugierig. Eine Weile redete er leise mit Nilima, dann kam sie auf mich zu und fragte: »Möchten Sie nun etwas schlafen, Miss?«
Ich nickte, und sie zeigte mir, wo meine Tasche aufbewahrt war. Nachdem ich sie geholt hatte, machte ich mich auf den Weg ins Bad. Ich war nicht lange fort gewesen, doch Nilima hatte die Zeit nicht untätig verbracht.
Ein Vorhang teilte nun den Raum, und sie hatte ein Schlafsofa ausgezogen, das sich in ein gemütliches Bett mit Satinbettwäsche und dicken, weichen Kissen verwandelt hatte. Eine Leuchte war in die Wand neben dem Bett eingelassen. Das Flugzeug war abgedunkelt, und Nilima erklärte mir, dass Mr. Kadam auf der anderen Seite des Vorhangs sei, sollte ich etwas benötigen.
Rasch sah ich hinüber zum Tigerkäfig. Ren beobachtete mich schläfrig durch halb geschlossene Lider, den Kopf auf die Pfoten gestützt.
»Gute Nacht, Ren. Bis morgen in Indien.«
Zu müde, um etwas zu lesen, schlüpfte ich unter die weiche Seidendecke, knipste das Licht aus und
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