Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
glitt, begleitet vom Summen der Maschinen, in den Schlaf.
Der Duft von gebratenem Speck weckte mich. Ich spähte um den Vorhang und sah Mr. Kadam, der in seinem Sitz die Zeitung las, ein Glas Apfelsaft auf dem Tisch vor sich. Er blickte mich über die Zeitung hinweg an. Sein Haar war noch etwas feucht, doch er war bereits für den Tag gekleidet.
»Sie sollten Ihre Morgentoilette verrichten, Miss Kelsey. Wir landen in Kürze.«
Ich packte meine Tasche und ging in das luxuriöse Badezimmer. Ich duschte kurz und wusch mir das Haar mit dem nach Rosen duftenden Shampoo. Als ich fertig war, wickelte ich mir ein dickes Handtuch um den Kopf und streifte den Morgenrock aus Kaschmir über. Mit einem tiefen Seufzer weidete ich mich für einen Moment an dem weichen Stoff, während ich überlegte, was ich anziehen sollte. Ich wählte eine rote Bluse und Jeans und bürstete mein Haar zu einem Pferdeschwanz zurück, den ich mit einem roten Haargummi zuband. Nachdem ich zurück zu Mr. Kadam geeilt war, sank ich in den Ledersitz, und Nilima brachte mir eine Platte mit gebratenem Speck, Eiern und Toast.
Ich aß die Eier, knusperte Toast und trank den Orangensaft, den Speck jedoch sparte ich für Ren auf. Während Nilima das Bett einklappte und den Frühstückstisch abräumte, wanderte ich mit meiner Leckerei zum Käfig und hielt ihm ein verlockend duftendes Stück durch die Gitterstäbe. Er kam zu mir, biss sehr sanft in den Speck, zog ihn mir aus der Hand und schluckte ihn dann in einem Bissen hinunter.
Ich lachte. »Du meine Güte, Ren, du musst kauen! Augenblick, kauen Tiger überhaupt? Nun, zumindest solltest du langsamer essen. Wahrscheinlich hast du noch nie einen Leckerbissen wie diesen hier bekommen.« Ich streckte ihm die anderen drei Stücke hin, eins nach dem anderen. Er verschlang sie und leckte mir anschließend mit der Zunge über die Finger.
Ich wusch mir die Hände, dann suchte ich meine Habseligkeiten zusammen und verstaute meine Tasche in dem Gepäckfach über dem Sitz. Ich war gerade fertig, als Mr. Kadam erschien. Er zeigte aus dem Fenster und sagte: »Miss Kelsey, willkommen in Indien.«
6 · Mumbai
6
M umba i
I ch starrte aus dem Fenster, während wir die Stadt überflogen. Wahrscheinlich hatte ich nach all den Mythen und Märchen von Mr. Kadam keine moderne Stadt erwartet, ich war ziemlich verblüfft angesichts der hohen weißen, gleichförmigen Gebäude, die sich unter mir auftürmten. Als wir über dem halbmondförmigen Flughafen kreisten, fuhren die Räder des Flugzeugs zur Landung aus. Der windschnittige Flieger machte zwei Hüpfer und verschmolz dann regelrecht mit der Landebahn. Neugierig, wie Ren sich schlug, wandte ich mich in meinem Sitz um. Er hatte sich erwartungsvoll in seinem Käfig aufgebaut, doch es schien ihm gut zu gehen. Tatendrang und Entdeckerlust pochten durch meinen Körper, während wir über die Landebahn rollten und schließlich zum Stehen kamen.
»Miss Kelsey, sind Sie bereit zum Aussteigen?«, fragte Mr. Kadam.
Ich warf mir meine Tasche über die Schulter, trat aus dem Flugzeug und sprang eilig die Stufen hinab. Als ich die feuchte, drückende Luft atmete, überraschte es mich, grauen Himmel über uns zu sehen. Es war warm und schwül, wenn auch gerade noch erträglich.
»Mr. Kadam, ist es in Indien normalerweise nicht heiß und sonnig?«
»Wir haben Monsunzeit. Hier ist es eigentlich nie kalt, aber im Juli und August kommt der Regen und manchmal ein Zyklon.«
Ich reichte ihm meine Tasche und schlenderte zu den Arbeitern, die Ren gerade verladen wollten. Die Prozedur verlief völlig anders als in den Staaten. Zwei Männer befestigten lange Ketten an seinem Halsband, während ein weiterer eine Rampe an der Rückseite eines Lasters anbrachte. Sie holten den Tiger unbeschadet aus dem Flugzeug, doch dann zerrte der Mann, der Ren am nächsten stand, zu fest an der Kette. Der Tiger reagierte blitzschnell, knurrte verärgert und schlug halbherzig mit der Tatze nach dem Mann.
Ich wusste, es war gefährlich, noch näher heranzutreten, doch irgendetwas schob mich weiter. Allein Rens Wohl war in diesem Moment für mich von Bedeutung, weshalb ich zu dem verängstigten Mann schritt, ihm die Kette aus der Hand nahm und ihn mit einem Wink fortschickte, worüber er sehr dankbar zu sein schien. Ich raunte dem Tiger tröstende Worte zu, tätschelte ihm den Rücken und forderte ihn auf, mit mir zum Laster zu gehen.
Er gehorchte aufs Wort und ging zahm wie ein Lämmchen neben mir, wobei
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