Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
schöneren Ort vorstellen.«
Später erzählte ich ihm von der Schule und meinem Traum, an die Uni zu gehen, auch wenn ich mir nur das Community College leisten konnte. Ich redete sogar über den Autounfall meiner Eltern, darüber, wie allein ich mich gefühlt hatte, als es passiert war, und wie es war, bei einer Pflegefamilie zu wohnen.
Rens Schwanz schnalzte hin und her, ein Zeichen, dass er wach war und mir zuhörte, was mich überraschte, da ich angenommen hatte, dass er eingeschlafen war, gelangweilt von meinem Geplapper. Schließlich verstummte ich, wurde selbst schläfrig und döste in der Hitze, bis ich Rens Bewegungen spürte und mich aufsetzte.
Ich streckte mich. »Ist es schon so spät? Okay, dann geh voraus.«
Zwei Stunden wanderten wir durch den Nationalpark, der mir viel mehr das Gefühl von Weitläufigkeit vermittelte als das Yawal Wildlife Sanctuary. Die Bäume standen nicht so nah beieinander und wunderschöne lilafarbene Blumen bedeckten die Hügel. Als wir jedoch näher kamen, bemerkte ich, dass sie in der Hitze verwelkt waren. Vermutlich hatten sich die Blüten während des Monsuns kurz geöffnet und würden schon bald abfallen.
Wir kamen an Teakbäumen und Bambus vorbei, aber es gab viele Pflanzen, die mir fremd waren. Mehrere Tiere kreuzten unseren Weg. Ich sah Kaninchen, Rehe und Stachelschweine. Als ich in die Äste hochblickte, erspähte ich Hunderte von Vögeln in den unterschiedlichsten Farbschattierungen.
Während wir durch eine besonders dichte Baumgruppe marschierten, vernahm ich auf einmal ein sonderbares, beunruhigendes Kreischen und entdeckte Rhesusaffen, die so hoch in die Wipfel kletterten wie möglich. Sie waren harmlos, und ich kannte sie, doch als wir tiefer in den Nationalpark eindrangen, nahm ich auch andere, Furcht einflößende Geschöpfe wahr. So musste ich einer gewaltigen Pythonschlange ausweichen, die von einem Baum herabhing und uns mit starren schwarzen Augen beobachtete. Riesige Warane mit gespaltenen Zungen und langen Körpern huschten zischend an uns vorbei. Große, fette Käfer schwirrten träge in der Luft umher, prallten im Flug an Pflanzen ab und setzten dann ein wenig benommen ihre Reise fort.
Es war faszinierend und unheimlich zugleich, und ich war froh, einen Tiger in meiner Nähe zu wissen. Hin und wieder verließ Ren den Pfad und schlug einen kleinen Bogen, was mich darüber nachdenken ließ, ob er bestimmten Orten oder vielleicht, ich schauderte, bestimmten Dingen aus dem Weg gehen wollte.
Nachdem wir zwei Stunden gewandert waren, erreichten wir die Ausläufer des Dschungels vor der Kanheri-Höhle. Der Wald öffnete sich hier zu einem unbewaldeten Hügel. Steinstufen führten den Berg hinauf bis zum Eingang, aber wir waren immer noch zu weit entfernt, um viel erkennen zu können. Ich eilte in Richtung der Stufen, da machte Ren einen Satz und stieß mich vorsichtig zurück zum schützenden Waldrand. Ich taumelte und wollte ihn schon zurechtweisen, dann aber besann ich mich und sagte: »Du möchtest noch ein bisschen länger warten? Okay, dann warten wir.«
Wir ließen uns im Schutz eines Busches nieder und warteten eine Stunde. Mit wachsender Ungeduld beobachtete ich, wie Touristen aus der Höhle auftauchten und die Stufen hinab zum Parkplatz schlenderten. Ich hörte, wie sie sich unterhielten, während sie sich in ihren Wagen entfernten.
»Wie schade, dass wir nicht mit dem Auto herfahren konnten«, bemerkte ich mit einem Anflug von Neid. »Aber wahrscheinlich hätten die Menschen nicht verstanden, warum mir ein Tiger auf den Fersen folgt. Außerdem wären wir auf der Liste des Wildhüters aufgetaucht, hätten wir das Auto genommen.«
Schließlich ging die Sonne unter und die letzten Touristen waren verschwunden. Vorsichtig trat Ren zwischen den Bäumen hervor und schnüffelte in die Luft. Zufrieden trottete er zur Steintreppe, die in den Hügel gehauen war. Ich war völlig außer Atem, als wir nach dem langen Aufstieg den Gipfel erreichten.
In der Höhle kamen wir sogleich zu einer Steinhalle mit angrenzenden identischen Räumen, die mich an die Waben eines Bienenstocks erinnerten. In jedem befand sich auf der linken Seite ein Steinblock in der Größe eines kleinen Bettes und in die gegenüberliegende Wand waren steinerne Regale eingelassen. Eine Hinweistafel erklärte, dass hier buddhistische Mönche gelebt hatten und dass die Höhle Teil einer buddhistischen Siedlung aus dem dritten Jahrhundert war.
Wie sonderbar, dass wir in einer
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