Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
passendere Wort gewesen wäre.
Zurück in Menschengestalt sah mich Kishan nachdenklich an und sagte: »Das klingt sehr … interessant. Ich hoffe nur, dass du bei diesem gefährlichen Unterfangen keinen Schaden nimmst. Es wäre klüger von dir, in deine Heimat zurückzukehren und uns unserem Schicksal zu überlassen. Dies klingt nach dem Beginn einer langen Mission, die unzählige Gefahren birgt.«
»Ren hat mich bisher beschützt, und mit zwei Tigern, die auf mich aufpassen, kann doch gar nichts passieren.«
Kishan zögerte. »Selbst mit zwei Tigern können Dinge schieflaufen, Kelsey. Außerdem habe ich nicht vor, euch zu begleiten.«
»Was? Was soll das heißen? Wir wissen, wie wir den Fluch bannen können. Nun ja, zumindest kennen wir den ersten Schritt. Warum also willst du uns nicht helfen …, dir selbst nicht helfen?«
Kishan senkte den Blick und sagte mit betont fester Stimme, in der ich dennoch Unsicherheit und Furcht zu hören meinte: »Dafür gibt es zwei Gründe. Zuerst einmal weigere ich mich, für weitere Tote verantwortlich zu sein. Ich habe in meinem Leben bereits viel zu viel Schmerz verursacht. Und zweitens … Nun, ich glaube einfach nicht, dass wir Aussicht auf Erfolg haben. Ihr zwei und Mr. Kadam jagt Gespenstern nach.«
»Gespenstern nachjagen? Das verstehe ich nicht.«
Kishan zuckte mit den Schultern. »Hör zu, Kelsey, ich habe mich an mein Leben als Tiger gewöhnt. Es ist gar nicht so schlimm, wirklich. Ich habe mich damit abgefunden.« Er verstummte und verlor sich in seinen Gedanken.
»Kishan, ist es nicht vielmehr so, dass du Gespenstern nachjagst? Du bestrafst dich selbst, indem du hier draußen in der Wildnis bleibst, nicht wahr?«
Der jüngere Prinz erstarrte. Seine goldenen Augen schossen Pfeile in meine Richtung. Betroffenheit und Schmerz waren in seinen Augen zu lesen. Es war, als hätte ich ein Pflaster weggerissen, das sorgsam die Wunden der Vergangenheit bedeckte.
Ich legte meine Hand auf seine und fragte sanft: »Kishan, willst du denn keine Zukunft für dich, willst du denn keine Familie? Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn jemand stirbt, den man liebt. Man ist einsam. Man fühlt sich zerrissen, als könnte man nie wieder ganz sein. Man hat das Gefühl, als hätten sie einen Teil von einem selbst mitgenommen. Aber du bist nicht allein. Es gibt Menschen, um die du dich kümmern kannst und die sich um dich kümmern werden. Menschen, die dir unzählige Gründe zum Weiterleben geben. Mr. Kadam, dein Bruder und ich sind nur drei. Dort draußen gibt es womöglich sogar noch jemanden, den du lieben könntest. Bitte komm mit uns nach Hampi.«
Kishan wich meinem Blick aus und sagte leise: »Ich habe vor langer, langer Zeit aufgehört, mir Dinge zu wünschen, die doch nicht eintreten werden.«
Ich packte seine Hand fester. »Kishan, bitte überleg es dir noch einmal.«
Lächelnd drückte er meine Hand. »Es tut mir leid, Kelsey.« Er stand auf und streckte sich. »Und falls du und Ren wirklich darauf besteht, diese lange Reise anzutreten, wird er auf die Jagd gehen müssen.«
»Auf die Jagd?« Ich schauderte. Soweit ich das beurteilen konnte, hatte Ren tatsächlich nicht viel gegessen.
»Er mag für einen Menschen genug gegessen haben, aber auf keinen Fall für einen Tiger. Die meiste Zeit über ist er ein Tiger, und damit er auf dieser beschwerlichen und gefahrvollen Reise stark genug ist, dich zu beschützen, muss er mehr essen. Etwas Großes, einen netten Eber oder einen Wasserbüffel.«
Ich schluckte. »Bist du sicher?«
»Ja. Er ist sehr mager für einen Tiger. Er muss zulegen. Er braucht Proteine.«
Ich streichelte Rens Rücken. Ich konnte seine Rippen spüren.
»Okay, ich sorge dafür, dass er auf die Jagd geht, bevor wir weiterreisen.«
»Gut.« Er verneigte sich mit einem Grinsen. Zum Abschied nahm er meine Finger und schien sie nur widerstrebend wieder loszulassen. Schließlich sagte er: »Vielen Dank, Kelsey, für das interessante Gespräch.«
Mit diesen Worten verwandelte er sich zurück in den schwarzen Tiger und trottete in den Dschungel.
Ren schlief immer noch mit dem Kopf in meinem Schoß, weshalb ich noch ein wenig länger still dasaß. Mit dem Finger fuhr ich die Streifen auf seinem Rücken nach und besah mir seine Wunden. Wo noch vor einer Stunde die Rippen zu sehen gewesen waren, war die Haut nun beinahe völlig verheilt. Der lange Riss auf seinem Gesicht und am Auge war verschwunden. Nicht einmal eine Narbe war zurückgeblieben.
Als meine
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