Kussfest
an die Lippen und leerte es in einem Zug.
»Das ist eine Beleidigung für den guten Brandy, Phillip. Den muss man langsam nippen. Du benimmst dich ja, als kämst du aus der Gosse.«
»Wie spät ist es?« Er überhörte sie demonstrativ.
»Zehn Minuten später als vorhin.« Annabelles Blick wurde sanfter. »Versuch doch, dich ein bisschen auszuruhen. Ich bewache das Telefon schon.«
»Ich hätte darauf bestehen sollen, dass Jamie zu uns kommt.«
»Das hätte doch nichts genutzt, Phillip. Das Mädchen hat seinen eigenen Kopf. Du kannst sie von nichts abhalten, wenn sie sich einmal etwas vorgenommen hat. Ich kann mich darüber nicht gut beschweren, ich bin ja genauso. Ich verstehe bloß nicht, warum sie so viel Zeit mit dieser Fontana verbringt.«
»Sie ist ihre beste Freundin.«
Annabelle rümpfte die Nase. »Na ja, sobald ich sie erst mal in die Gesellschaft eingeführt habe, wird Jamie schon neue Freunde finden, so Gott will.«
»Sei doch nicht so ein Snob, Mutter. Frankie und Deedee Fontana sind wirklich in Ordnung.«
»Das weiß ich ja, aber sie sind nicht …« Sie räch ab.
»Standesgemäß?«, sagte Phillip.
»Das meinte ich überhaupt nicht.«
»Weißt du, was dein Problem ist, Mutter?«, sagte er. »Du tust alles, um den weniger Privilegierten zu helfen, aber wenn es um deinen Umgang geht, hängst du die Latte ganz schön hoch.«
»Sei nicht unfair, Phillip. Mir ist diese Stadt ebenso wichtig wie deinem Freund Frankie Fontana. Der Unterschied ist nur, dass ich mich schon erfolgreich engagiert habe, bevor er mit seiner rothaarigen Frau hier aufgetaucht ist und dieses geschmacklose Haus gebaut hat. Das ist ja wohl wirklich ein Schandfleck in der Stadt. Würde mich nicht überraschen, wenn seine Frau da rote Satintapeten drin hat, sowas passiert doch immer, wenn die Leute mehr Geld als Geschmack haben. Ich hoffe bloß, dass sie sich die Haare vor eurer Hochzeit noch ein bisschen runtertönt.« Annabelle trank einen Schluck. »Wo wir gerade von der Familie reden, weißt du irgendwas über diesen Max Holt, außer dem, was so in der Zeitung steht?«
Phillip stand auf und ging zur Bar, wo er sich noch einen Drink einschenkte. »Ich komme nicht richtig an ihn ran. Er ist sehr zurückhaltend. Ich weiß nur, dass er Frankie hilft, die verschwundenen Steuergelder ausfindig zu machen, aber das ist auch schon alles.«
»Also, wenn du mich fragst, verbringt er auf jeden Fall viel zu viel Zeit mit Jamie. Wie sieht das denn aus, wenn eine verlobte Frau dauernd mit einem anderen Mann zusammen ist? Es dauert nicht mehr lang, dann kocht die Gerüchteküche.« Sie zog die Nase kraus.
»Spätestens jetzt, wo sie zusammen vermisst werden, wird das losgehen.«
»Ich mache mir im Moment mehr Sorgen um Jamies Sicherheit als um Gerüchte«, sagte Phillip. »Außerdem vertraue ich ihr.«
»Natürlich tust du das. Wegen Jamie mache ich mir ja auch keine Gedanken. Aber soweit ich weiß, hat Max Holt einen gewissen Ruf in Bezug auf Frauen. Ich fürchte einfach, dass er sie ausnutzt.
Ich hoffe sehr, dass sie nach eurer Hochzeit ein bisschen ruhiger wird«, fuhr Annabelle fort. »Vielleicht kann ich sie ja für meine Arbeit begeistern.«
»Jamie gibt die Zeitung im Leben nicht auf«, antwortete Phillip. »Sie ist fest entschlossen, sie wieder zu dem zu machen, was sie unter ihrem Großvater war. Bevor ihr Vater alles vermasselt hat.«
Annabelle wurde nachdenklich. »Sie kann sie ja erkaufen, wenn ihr jemand genug dafür bietet.«
»Ich sehe es schon in deinem Gehirn rattern, Mutter. Aber da musst du dich einfach raushalten und Jamie tun lassen, was sie will.«
»Das verstehst du nicht, Sohnemann. Es gibt nichts Befriedigenderes, als Menschen in Not zu helfen. Die Standish-Frauen haben noch nie für Lohn gearbeitet. Wir brauchen das Geld nicht, und es macht auch keinen guten Eindruck, wenn deine Frau sechzig Stunden die Woche arbeitet. Da denken die Leute ja, du kannst sie nicht ernähren. Aber das ist natürlich alles egal, wenn sie sich mit diesem Max einlässt.«
Phillip seufzte schwach. »Geh ins Bett, Mutter, bevor du dir selbst Kopfschmerzen anquatschst. Die Sorgen um Jamie reichen mir schon.«
Jamie wurde von einem Geräusch in der Ferne geweckt. Ein Hubschrauber. Zweifellos suchte er sie. Sie setzte sich auf. Max deckte gerade das Feuer mit Erde ab. Er sah nachdenklich aus.
Der Hubschrauber kam näher. Wortlos stand Jamie auf und versuchte, sich die Kleider glatt zu streichen. Sie schüttelte die Decke aus
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