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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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bombastisch, in großer Gala, mit salbungsvollem geistlichem Zuspruch und marschierenden Viererreihen mit Lampassen und Quasten statt. Dieser aufgeklärte Monarch besaß sogar eine Theorie, die er praktizierte, und zwar die Theorie vom öffentlichen Glück. Es ist bekannt, daß der Mensch nicht deshalb lacht, weil er lustig ist, sondern deshalb lustig ist, weil er lacht. Sobald alle alles herrlich finden, bessert sich gleich die Stimmung. Mägerleins Untertanen waren verpflichtet, selbstverständlich zum eigenen Wohle, lauthals zu wiederholen, daß es ihnen geradezu hervorragend gehe. Die alte, verschwommene Begrüßungsformel ›Guten Tag‹ ersetzte der König durch die wirksamere ›Wiegut!‹. Dabei war es den Kindern bis zum vierzehnten Lebensjahr gestattet, ›Hu-Ha!‹ zu sagen, und den Greisen ausnahmsweise ›Gutwie!‹
    Es freute Mägerlein zu sehen, wie der Geist im Volke gerann, wenn er, in seiner Staatskarosse in der Form eines Panzerschiffes durch die Straßen fahrend, die jubelnde Menge gnädig mit sanften Bewegungen seiner königlichen Hand begrüßte, wie die ihm um die Wette zurief: ›Hu-Ha!‹ – ›Gutwie!‹ – und ›Fabelhaft!‹ Er war übrigens demokratischer Gesinnung. Er liebte es ungemein, sich in markige Plaudereien über den Krieg einzulassen mit alten Haudegen, die das Brot aus manchem Ofen gegessen hatten, er lechzte am Lagerfeuer nach Schlachtberichten, und es passierte, wenn er einen fremden Würdenträger zur Audienz empfing, daß er sich mir nichts dir nichts mit dem Streitkolben auf das Knie schlug und ausrief: »Es geht nichts über uns!« oder: »Nagelt mir diesen Panzerkreuzer fest!« oder: »Soll mich die Kugel treffen!« Nichts begeisterte ihn nämlich mehr, nichts mochte er so sehr wie stramme Zucht, landsmännische Tapferkeit, Piroggen auf Branntwein mit Schießpulver, Zwieback und Munitionskästen sowie Kartätschen. Deshalb ließ er, wenn er schwermütig wurde, die Regimenter vor sich defilieren und singen: »Es ist so schön, Soldat zu sein« – »Denn wir fahren auf die Bahren« – »Mit uns geht die neue Zeit, wetz das Messer, such den Streit« – oder das alte Kaiserlied: »Gott erhalte, Gott beschütze unsre Mörser und Haubitzen.« Er befahl, die alte Garde solle nach seinem Tod am Grabe sein Lieblingslied anstimmen: »Der alte Roboter ist verrottet«.
    Klapauzius gelangte nicht sofort zum Hofe des großen Monarchen. In der ersten Ortschaft, auf die er stieß, klopfte er an so manche Tür, doch niemand öffnete ihm. Endlich erspähte er auf einer völlig leeren Straße ein kleines Kind, das auf ihn zukam und mit dünnem Stimmchen fragte:
    »Kaufen Sie? Ich verkauf es billig.«
    »Möglich, daß ich kaufe, aber was?« entgegnete der erstaunte Klapauzius.
    »Ein kleines Staatsgeheimnis«, antwortete das Kind und zeigte unterm Hemdzipfel ein Eckchen vom Mobilmachungsplan. Klapauzius erstaunte noch mehr und sagte:
    »Nein, Kindchen, das brauche ich nicht. Kannst du mir sagen, wo hier der Schultheiß wohnt?«
    »Und wozu brauchen Sie den Sultheiß?« fragte das Kind, das lispelte.
    »Ich habe mit ihm zu reden.«
    »Unter vier Augen?«
    »Vielleicht auch unter vier Augen.«
    »Also suchen Sie einen Agenten? Da wäre mein Vater der Richtige. Sicher und billig.«
    »Zeig mir mal diesen Vater«, sagte Klapauzius, als er sah, daß er anders aus diesem Gespräch nicht herauskommen würde. Das Kindchen führte ihn in eine der Behausungen; drinnen saß bei brennender Lampe, obwohl draußen heller Tag war, die Familie: der betagte Opa im Schaukelstuhl, die Oma mit dem Strickstrumpf in der Hand und ihre zahlreiche erwachsene Nachkommenschaft; jeder war auf seine Art beschäftigt, wie das so im Haushalt üblich ist. Als sie Klapauzius gewahrten, fielen sie über ihn her; die Stricknadel erwies sich als Handschelle, die Lampe als ein Mikrophon und die Oma als der örtliche Polizeivorsteher.
    ›Offenbar ein Mißverständnis‹, dachte Klapauzius, als man ihn verprügelte und in ein Loch warf. Er wartete geduldig die ganze Nacht, denn er konnte sowieso nichts anderes tun. Der Morgen versilberte das Spinngewebe an den Steinwänden und die morschen Reste ehemaliger Häftlinge; nach einiger Zeit führte man ihn zum Verhör. Es zeigte sich, daß die Siedlung vorgetäuscht war; sowohl die Häuser als auch das Kind dienten nur dazu, vermeintliche Agenten in die Falle zu locken. Ein Gerichtsverfahren drohte Klapauzius nicht, denn man pflegte kurzen Prozeß zu machen. Auf den Versuch,

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