Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Köpfe. Er schwang sich über den Zaun und ging auf die Tiere zu. Oh ja, er kannte sich mit ihnen aus. Sie kamen zutraulich auf ihn zu, er tätschelte sie, sprach mit ihnen und schien dicke Freundschaft zu schließen.
Ich kletterte ebenfalls über das Gatter. Die kleine hellbraune Stute bemerkte mich, wieherte leise und trabte auf mich zu.
»Aber hallo, Princess. Die sind doch gefährlich!«
»Findest du?«
Reb lachte. Das erste Mal, seit er aufgetaucht war, lachte er. Fröhlich und unbeschwert.
»Bist du etwa gar keine Elitezicke mehr?«
»Doch, die kann ich noch immer raushängen lassen. Aber nicht vor den Pferden.«
»Sie sind freundlich. Reitest du auch?«
»Nee, das traue ich mich noch nicht. Aber ich beherrsche ein Fahrrad. Und damit bin ich fast so gut wie Martin le Maniaque!«
Er lachte wieder und scheuchte die Stute weg, als sie versuchte, sein Shirt anzuknabbern.
»Du hast dich auch verändert. Ich meine, ein ungehobelter Lümmel bist du zwar noch immer, aber – du siehst anders aus.«
»Danke für die Blumen. Ich trainiere viel. Das sollte man auch merken.«
»Außerdem frisst du vermutlich auch wie ein Pferd. Komm mit, die Familie wartet. Und versuch dich einigermaßen gesittet zu benehmen.«
»Elitezicke.«
»Sag ich doch.«
Jenevra, Gort, Hazel, Maple, ihr Mann und ihre zwei Kinder saßen bereits am langen Tisch in der Küche, Ember und ihre Mutter waren zum Glück jedoch verschwunden. Ich stellte Reb vor, und zu meiner Überraschung begrüßte er alle mit einer höflichen Verbeugung. Und nannte seinen Nachnamen: TerHag.
»Monsieur Gort, danke, dass ich auf Ihrem Grundstück parken darf. Madame Jenevra, vielen Dank für die Einladung.«
»Mach’s nicht so förmlich, Reb TerHag«, sagte Gort. »Ein Freund von Kyria ist auch unser Freund. Setz dich und iss mit uns.«
Alvar TerHag war in der Familie kein Unbekannter, und seine Vergangenheit als Wagenlenker hatte auch hier das Fundament der Bewunderung gelegt. Gort, Elmo und dessen Sohn fragten Reb sogleich nach den Pferden, dem Training und den Rennen aus. Reb verdrückte zwar beachtliche Mengen, aber sein Benehmen war einwandfrei, und er beantwortete freimütig alle Fragen.
Reb TerHag. Er hatte sich mit dem Nachnamen seines Vaters vorgestellt. Ich deutete das als Zeichen, dass er sich mit Alvar arrangiert hatte. Die Aussicht, an den Wettkämpfen teilnehmen zu können, schien ihn mit großer Befriedigung zu erfüllen.
Ich sagte wenig, hörte zu und fühlte eine stille Freude darüber, dass er neben mir saß. Nachdem wir das Mahl beendet hatten, erklärte er jedoch, dass er sich noch etwas die Gegend ansehen wolle, und verabschiedete sich. Ich gab ihm die Bilder der fünf Verdächtigen mit, aber da ich vermutete, dass er zum Fort gehen wollte, fragte ich ihn nicht, ob ich ihn begleiten dürfte.
Das würde wohl Ember übernehmen.
Bah!
Wir hingegen bereiteten alles für die morgige Beerdigung vor. Jenevra brachte mir ein schwarzes Kleid, das leicht nach staubigem Lavendel roch und starre Knickfalten aufwies.
»Probier es mal an, damit wir sehen, was noch geändert werden muss.«
Es war mir in der Taille zu weit, aber der Rock war lang genug und reichte züchtig bis an die Waden. Den oberen Teil, den ich mangels Oberweite nicht ganz ausfüllte, verdeckte Tilia mit einem bestickten, ebenfalls schwarzen Tuch, die Taille band mir Hazel mit einer gestärkten weißen Schürze enger.
»Sieht hübsch aus an dir. Schwarz steht Blonden gut, aber trotzdem werden wir die Haare morgen mit einem Häubchen verdecken.«
»Ist das euer Zeremonialgewand?«
»Na ja, wir nennen es eher Tracht. Hast du ein besonderes Zeremonialgewand? Wie sieht es aus?«
Ich beschrieb den lauschenden Frauen die weite Hose, die ärmellose Tunika, beides in meinem Fall elfenbeinfarben, ohne jeden Zierrat, aber aus schwerer Seide. Darüber die weitärmelige Robe, das breite Revers bestickt mit dem Wappen meiner Mutter, außerdem den Haarschmuck aus Perlen und Brillanten.
»Du gehörst zu einer ziemlich einflussreichen Familie«, sagte Jenevra. »Das war mir bislang gar nicht so klar, Junora Kyria.«
»Lassen Sie bloß die Junora aus dem Spiel. Ich bin hier, ich arbeite hier, ich trauere um Willow und bin froh, eine Freundin wie Hazel zu haben.«
Und ich ärgerte mich, dass ich das aufwendige Gewand beschrieben hatte.
»Mama, wir tragen auch Festtagskleidung und unseren Schmuck zu besonderen Anlässen. Und auch bei uns gibt es Familien, die mehr Ansehen genießen
Weitere Kostenlose Bücher