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Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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dem Rucksack und band ihn mir um die Augen. Dann kroch ich wieder unter die Decke, drehte mich zu Reb und legte meine Hand auf die seinen.
    Er grummelte irgendwas, rührt sich aber nicht, und ich schlief ein.
    Den nächsten Tag sah ich Reb kaum, er ging irgendwelchen Geschäften nach, und ich half den drei Frauen beim Aufräumen und Kochen. Hin und wieder kamen Männer mit neuen Nachrichten in das Quartier, und manche hörten sich nicht gut an. Die Masern hatten sich in einigen Unterkünften ausgebreitet, und es schien, als ob es eine besonders bösartige Variante dieser Infektionskrankheit war. Ein alter Mann war bereits gestorben. Der Zugang über die U-Bahn-Station war versiegelt worden, Amazonen patrouillierten an den Stadtgrenzen. Es war also den Subcults nicht möglich, den allgemeinen Impfaufrufen zu folgen. Obwohl sie keine ärztliche Betreuung erhielten, müsste doch den Verantwortlichen daran liegen, dass sich die Krankheit nicht ausbreitete. Ich verstand diese Haltung einfach nicht.
    Dann aber kam am Abend ein Mann mit einem Metallkoffer und rief alle in die Kantine.
    »Wir haben den Impfstoff«, verkündete er. »Ärmel hoch!«
    »Woher habt ihr den?«, fragte ich Ria.
    »Wir haben Freunde, Princess. Und Quellen!«
    Wieder eine Erkenntnis mehr, die mich erstaunte.
    Reb verhielt sich am Abend, als ich in sein Quartier kam, schweigsam. Ich wickelte mir wieder den Schal um den Kopf, damit mich das Licht nicht störte, und schlief ungewöhnlich gut in dieser Nacht. Offenbar gewöhnte man sich nach einer Weile an die Geräusche. Am Vormittag dann packte ich meine Sachen in den Rucksack, und Reb stopfte die seinen in einen grauen Seesack.
    »Du musst das Ding selbst tragen, Princess. Aber sehr weit ist der Weg nicht.«
    »Müssen wir wieder durch den Tunnel?«
    »Nein, heute steht ein Waldspaziergang an.«
    »Wie nett.«
    Nach dem mittäglichen Mahl verabschiedete ich mich von den drei Frauen. Was Reb tat, wusste ich nicht. Aber er tauchte bald auf und führte mich zu der Rampe, die uns in die Oberwelt brachte.
    Es war ein bewölkter Tag, ein kühler Wind wehte, und überrascht sah ich mich um. Irgendwie hatte ich mir eine trostlose Trümmerwüste vorgestellt, denn als ich vor zwei Tagen in der Dunkelheit hier eingetroffen war, hatte ich die Umgebung gar nicht richtig wahrgenommen. Aber es waren weit über hundert Jahre verstrichen, seit die Bürohochhäuser, die hier gestanden hatten, abgerissen worden waren, und inzwischen hatte die Natur das Gebiet zurückerobert. Blühende Büsche und maigrüner Wald erstreckten sich vor mir. Aber kein wild wuchernder Wald, wie ich bald verwundert bemerkte, denn es führten Wege durch ihn hindurch, an deren Rändern hier und da sauber aufgestapeltes Holz lag.
    »Einige von uns bewirtschaften ihn«, erklärte Reb, als ich darauf hinwies. »Holz zum Heizen, um Möbel daraus zu zimmern, um Tunnel abzustützen und so weiter. Manche sammeln auch Beeren, Nüsse und Pilze oder jagen. Es gibt ziemlich viel Wild hier. Wir sind nicht abhängig von der staatlichen Fürsorge.«
    Ich stapfte hinter ihm her, der lange Mantel schlug um meine Beine, die Träger des Rucksacks drückten auf meine Schultern. Aber das war alles nichts gegen die Fülle von Eindrücken, die ich zu bewältigen hatte. Hier im Tageslicht, die Silhouette der Stadt hinter mir, kam mir alles so unwirklich vor. Eine andere Welt, eine, die ich mir bisher nie hatte vorstellen können. Menschen, die so ganz anders lebten – und zum Leben so eine ganz andere Einstellung hatten als die, die mir bisher vertraut war. Mit eigenen Regeln, mit einer Schattenwirtschaft, mit mir kaum begreifbaren Wertvorstellungen. Aber nun war ich in dieser Welt gelandet, und weil ich nichts mehr zu verlieren hatte, hinterfragte ich meine Entscheidung einfach nicht mehr.
    Die Zeit arbeitete gegen mich, und trotzdem fühlte ich mich angstloser als all die Jahre zuvor, in denen man mich behütet und beschützt hatte. Es war so eine Scheißegal-Haltung, wie sie mit gewissen Medikamenten erzeugt werden konnte, stellte ich fest.
    Also trottete ich weiter schweigend hinter Reb her und versuchte, einigermaßen Ordnung in meine Gedanken und Gefühle zu bringen. Was mir nicht ganz gelang. Zumindest eines aber kristallisierte sich heraus – ich hatte ein Ziel. Ein ganz schlichtes, einfaches Ziel, das ich erreichen wollte. Hazel und ihre Familie am Ende der Welt zu treffen. Dann würde ich weitersehen.
    Der Eingang war so gut versteckt, dass ich ihn ohne

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