Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
kommen muss«, seufzte Dr. Grenouille. »Wir hatten vergangenes Jahr eine Influenza, die uns sehr … beschäftigt gehalten hat.«
»In den Subcults sind die Masern bereits ausgebrochen«, sagte Reb trocken.
Der Arzt nickte.
»Warum macht das jemand?«, entfuhr es mir. »Ich meine, das ist doch ein Verbrechen.«
»Richtig, Mademoiselle, es ist ein Verbrechen. Und die meisten Verbrechen werden wegen Geld, Macht und Liebe begangen. Liebe, denke ich, können wir in diesem Fall ausschließen.«
»Und Geld doch auch, oder? Es hat doch niemand was davon, wenn die Leute hier krank werden.«
»Doch, Mademoiselle. Diejenigen, die uns ihre teure Hilfe verkaufen wollen.«
»Die Hersteller des Impfstoffs also. Oder anderer Medikamente.«
»Vielleicht. Aber es gibt noch mehr Interessengruppen, die ein Land wie das unsere gerne schwächen würden, damit wir unsere Unabhängigkeit aufgeben.«
»Warum klagen … Okay, es hätte wohl wenig Sinn, unsere Landesmutter darüber zu informieren, wenn sie selbst ein Interesse daran hat.«
»So ist es, Mademoiselle. Wir haben wenige Möglichkeiten, die Politik von NuYu zu beurteilen. Wir bekämpfen so gut es geht ihren Einfluss auf uns und sind dankbar für die Freunde, die wir in Ihrem Land haben. Ich bin nur Arzt, Mademoiselle, ich werde, wenn es zu einem Ausbruch von Masern kommt, alles daransetzen, um die Epidemie in Grenzen zu halten. Und nun darf ich Sie bitten, meine Gäste zu sein. Sie haben einen beschwerlichen Weg hinter sich und sollten sich etwas ausruhen.«
»Eine heiße Dusche«, murmelte ich sehnsüchtig.
Dr. Grenouille lachte. »Bekommen Sie. Ruhen Sie ein wenig, oder bummeln Sie durch die Stadt, wir treffen uns dann zum Abendessen und besprechen das weitere Vorgehen.«
Er geleitete uns ein Stockwerk höher, wo er seine Wohnung hatte. Das Gästezimmer war klein, aber gemütlich, und es gab ein Badezimmer.
Müde war ich tatsächlich, und obwohl es heller Tag war, legte ich mich nach der sehr heißen Dusche, bei der ich auch endlich die dunkle Farbe aus meinen Haaren gewaschen hatte, aufs Bett.
Reb hatte seinen Rucksack ausgepackt, stand am Fenster und schaute auf die Straße.
»Endlich fertig?«
»Sorry, ich brauchte das jetzt mal.«
Er sah mich an. »Ah, die goldgelockte Herrin ist zurück.«
Ich fuhr mir durch die nassen kurzen Haare. »Noch nicht ganz. Aber wenigstens erkenne ich mich im Spiegel wieder.«
Er nickte. »Ich dusche auch und gehe dann in die Stadt. Willst du mitkommen?«
»Nein, ich bin zu müde. Aber könntest du mir wohl irgendwas ohne Rüschen mitbringen? Ein einfaches Hemd oder so? Dann würde ich mich noch mehr wie ich selbst fühlen.«
»Mal sehen.«
Er verschwand im Bad, ich drehte mich zur Wand, zog die Decke über mich und schlief sofort ein.
Die Sonne stand tiefer, als ich wach wurde, und ein Blick auf den Wecker sagte mir, dass ich vier Stunden geschlafen hatte. Ich fühlte mich einigermaßen ausgeruht, aber durstig. Leider war Reb noch nicht zurückgekommen, also musste ich wieder die bunten Sachen anziehen. Dann machte ich mich auf die Suche nach der Küche.
Es war nicht schwer, sie zu finden, denn der Duft von gewürztem Essen wies mir den Weg.
Dr. Grenouille stand am Herd und rührte in einem Topf. Tomaten. Basilikum. Mir lief das Wasser im Mund zusammen.
»Ah, Mademoiselle. Auferstanden von den Toten?«
»So halbwegs.«
»Sie sahen erschöpft aus. Ein anstrengender Weg bis ans Ende der Welt.«
»Sind wir hier am Ende?«
»Man nennt es das Finistère. Wenn Sie hier ins Meer springen, müssen Sie nur lange genug schwimmen, dann kommen Sie in Amerika an.«
»Heute lieber nicht mehr. Könnte ich bitte ein Glas Wasser haben?«
»Das und vielleicht einen Kaffee zum Munterwerden.«
»Eine traumhafte Vorstellung.«
Er reichte mir eine große Tasse Milchkaffee, mit der ich mich an den Tisch setzte.
»Was haben sie als Nächstes vor, Mademoiselle? Kehren sie nach NuYu zurück?«
»Nein. Nein, ich glaube nicht. Ich … ich habe hier eine Freundin. Sie wohnt in Fréhel. Zu ihr möchte ich.«
»Das können wir leicht bewerkstelligen. Und Ihr Freund?«
Ich schwenkte den Kaffee in meiner Tasse. Was würde Reb machen? Wollte er zurück in die Subcultura? Vermutlich war das im Augenblick zu gefährlich. Wir wussten ja nicht, ob sie noch nach ihm suchten.
Und dann war da natürlich noch sein Vater.
Er hatte nicht wieder von ihm gesprochen. Die wenigen Male, die ich versucht hatte, zu dem Thema etwas aus ihm
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