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Kyria & Reb - Die Rückkehr

Kyria & Reb - Die Rückkehr

Titel: Kyria & Reb - Die Rückkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Schacht
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verströmen.
    Leichter gesagt als getan.
    Such dir ein freundliches Gesicht in der Menge und sprich zu ihm, das war ein weiterer Rat, an den ich mich erinnerte. Ich sah mich um.
    Und erkannte ihn.
    Den kleinen Bengel, Sunny. Er sah zu mir in grenzenloser Bewunderung hoch.
    Ich lächelte ihm zu und begann mit dem Gedicht eines alten Dichters, der den Herbsttag besang. Sunny wirkte wie verzückt und knabberte an einer Weintraube aus Xaris Korb.
    Ich pries in meinen eigenen Worten den Herbsttag, sprach vom Ernten und Säen, von Frieden und Freiheit. Von Freiheit mehr als von Frieden. Von Selbstbestimmung und Vertrauen in die eigene Kraft. »Leben ist zäh«, ermunterte ich meine Zuhörer. »Die Bäume, deren Blätter im Herbst fallen, knospen im Frühling wieder. Die Blumen, die verblühen, treiben im neuen Jahr wieder aus. Sie tragen keine Angst in sich, sie erneuern sich. Möge dieses Wissen mit Ihnen sein.«
    Beifall brandete auf, und Sunny klatschte sich die Hände heiß.
    In dem Augenblick bemerkte ich sie. Die verschleierte Novizin. Sie drängte sich vor, schnell und zielstrebig, und da ich allein auf dem Podium stand, kam keine der Amazonen zu mir. Mit einer überraschenden Behändigkeit erklomm die Novizin die Treppe und stürzte sich auf mich. Ich erkannte im letzten Moment das Glitzern des Injektionspens in ihrer Hand und sprang mit einem Satz ins Publikum. Ein Aufschrei aus der Masse folgte. Man machte mir einen Gang frei. Ich lief zum Weg, versuchte hinter den Pavillon zu gelangen. Die Amazonen hatten bemerkt, dass etwas nicht stimmte, und versuchten sich vorzudrängen. Die Novizin war ebenfalls vom Podium verschwunden. Mist, wo war sie? Ich stolperte über eine Baumwurzel, mein Knöchel schmerzte. Als ich mich umdrehte, war sie wieder da. Den Schleier hatte sie verloren – Bonnie, mit hassverzerrtem Gesicht.
    Ich raffte mein Gewand und lief humpelnd über den Pfad, der zum nächsten Stand führte. Entsetzte Blicke streiften mich, Aufschreie ertönten, aber keiner hielt mich auf.
    Auch Bonnie nicht.
    Ich rettete mich hinter den Pfosten, der die Zeltplane hielt, und suchte mit zittrigen Fingern nach der Betäubungspistole in meiner Tasche. Hielt sie in der Hand, wartete.
    Bonnie hatte mich entdeckt und stürmte auf mich zu. Ihr folgte Cam mit wehendem Gewand. Ich hob die Waffe und schoss.
    Bonnie lief weiter, Cam stürzte.
    Oh, verdammt!
    Die Waffe entglitt mir aus den schweißnassen Händen. Mir blieb nur die Flucht.
    Zurück auf den Pfad. Ein Pärchen versperrte mir den Weg, ich rempelte sie an, fand eine Lücke. Im Zickzack hinkend durch die Passanten.
    »Haltet sie!«, rief ich ihnen zu, aber niemand rührte sich.
    Wohin? Wo war Sicherheit?
    Bei den Priesterinnen.
    Gut hundert Meter weiter sah ich den Baldachin.
    Ich rannte um mein Leben.
    Bonnie kam näher.
    Ich strauchelte, fing mich wieder.
    Sie war nur noch wenige Meter entfernt. Irrsinn lag in ihren verzerrten Zügen.
    Mein Fuß knickte um, ich stürzte.
    Keine Chance mehr.
    Wie eine Kanonenkugel schoss ein graues Etwas auf Bonnie zu. Sie fiel. Kreischen erfüllte die Luft. Sie rappelte sich auf, stürzte sich auf mich. Ich rollte zur Seite. Bekam ihre Haare zu fassen. Rote Wut kochte in mir hoch. Ich kam auf die Knie, knallte ihren Hinterkopf auf das Pflaster.
    Sie erschlaffte.
    Zwei Amazonen warfen sich auf sie.
    Und auf mich krabbelte Sunny zu.
    »Ria«, keuchte er. Dann brach er zusammen. In seiner Schulter steckte der Injektionspen. Ich rutschte neben ihn, hob ihn in meinen Schoß. Er zitterte.
    »Ria«, flüsterte er noch einmal.
    Die Kehle wurde mir eng. »Sunny, mein kleiner Freund.«
    Seine Hand schlich sich in meine. Seine Augen blickten in mein Gesicht.
    »Danke, Sunny. Du hast mir das Leben gerettet.«
    Meine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. Ich entfernte den Injektionspen und legte ihn neben mich. Dann zog ich den schmuddeligen kleinen Kerl an mich und wiegte ihn in einer festen Umarmung.
    Es gab nichts anderes mehr zu tun. Was immer in Bonnie Spritze war, es war tödlich.
    Xari tauchte neben mir auf, ich schüttelte still den Kopf. Sie wuschelte Sunnys Haare und streichelte ihn dann.
    Um uns herum war es leer geworden, die Besucher des Herbstfestes hatten sich peinlich berührt verdrückt. Helfen würde uns niemand.
    Mit der Zunge fing ich die Tränen ab, die mir über die Wangen liefen.
    »Gedicht«, flüsterte Sunny.
    Ja, das Gedicht. Ich sagte es ihm noch einmal vor:
    »Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
    Die

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