Kyria & Reb - Die Rückkehr
dass Senor Cassius das alte verbotene Buch hervorzog, das einst die Grundlage der Männerreligion darstellte, und mit mir zusammen die Herkunft der Gottlosen erforschte. Wir fanden die Zitate in dem Abschnitt, den man Psalmen nannte. Eine Ansammlung alter Verse, in denen ein Herrgott angerufen wurde, die Bösen zu vernichten und den Guten Gnade zu gewähren. Dieser Gott wusste ganz genau, wer die Guten und die Bösen waren, und er setzte offensichtlich gnadenlose, blutrünstige Gewalt gegen sie ein. Ein schauriges Machwerk, aber ich verstand, dass es schwache und rachsüchtige Personen ansprechen konnte, deren Gewaltfantasien hier allerlei Nahrung fanden.
»Es muss eine Gruppe Männer sein, die sich unterdrückt fühlt und hier einen Ausweg sieht, gegen die Missstände aufzubegehren.«
»Was mich umso mehr irritiert, Senor Cassius. Männer haben weniger Rechte als Frauen, das ist richtig. Aber es gibt Bestrebungen, das zu ändern, und meine Mutter ist eine Verfechterin dieser Richtung. Warum die Hand beißen, die ihnen Hilfe bietet?«
»Weil sie leicht zu fassen war?«
»Vielleicht. Aber sie beweisen doch ihre eigene Dämlichkeit damit.«
»Wer sagt Ihnen, dass sie klug sind, Junora Kyria? Sie sind gewitzt, sicher, sie haben Ihre Mutter entführt und haben es geschafft, die Bilder zu senden. Aber sie haben dabei vergessen, dass sie mit dieser Tat Spuren gelegt haben – die solche jungen Rebellen wie Reb erkennen.«
»Sie haben unsere technischen Möglichkeiten dazu genutzt«, sagte Cam tonlos. »Joel und Mercy waren unsere besten Techniker. Ich habe sie immer für loyal gehalten. Was hat sie getrieben, sich dieser Bande anzuschließen?«
»Du hast sie erschossen, sie werden dir nicht mehr antworten können«, gab Reb nüchtern zu verstehen.
Cam sackte wieder in sich zusammen.
»Dieser Joel hat zuerst auf dich geschossen, Cam«, sagte ich leise. Menschen töten – warum musste es so weit kommen?
»Junora Kyria, Sie haben vorhin eine gute Frage gestellt. Über die Antwort lohnt es sich nachzudenken«, meinte Senor Cassius nun aber. »Männer, die gegen die Unterdrückung aufbegehren, entführen die Ministerin, die auf ihrer Seite steht, die, sollte sie zur Landesmutter gewählt werden, für ihre Rechte eintritt. Sie senden eine Folterszene und verbreiten Hassparolen. Ich sehe hier auch eine Diskrepanz. Kommt dazu, dass Mitglieder aus einer bislang sehr verdeckt arbeitenden Organisation sich dieser Gruppe angeschlossen haben. Es steckt etwas Größeres dahinter.«
»Man hat meiner Mutter schon mehr Schwierigkeiten bereitet, Senor Cassius. Angeblich habe ich Masernviren in die Reservate eingeschleppt und den Sabotageakt an dem KomSat organisiert. Diese seltsamen Ekzeme, die auf manipuliertem Zucker beruhten, hat jemand bewusst ausgelöst. Meine Mutter hat das unauffällig gestoppt. Meine ehemalige Duenna hat mich zweimal angegriffen, beim letzten Mal wollte sie mich umbringen. Bonnie und die Saboteure sind von jenen getötet worden, die dieser Männergruppe angehören. Vermutlich, weil sie sonst ihre wahren Auftraggeber verraten hätten.«
»Gut zusammengefasst.« Senor Cassius tippte die Fingerspitzen aneinander. »Jemand will mit aller Gewalt verhindern, dass La Dama Isha zur Landesmutter gewählt wird.«
»Oder dass sie herausfindet, wer warum meinen Vater ermordet hat.«
Senor Cassius hob eine Augenbraue. »Helfen Sie mir auf die Sprünge, Kind.«
»Demir Tamao starb am Tag meiner Geburt an einer Poloniumvergiftung.«
Wieder tippten die Fingerspitzen zusammen. »Demir Tamao hatte brisante Informationen zusammengetragen«, flüsterte Senor Cassius. »Mit wem haben Sie darüber gesprochen, Junora Kyria?«
»Mit Reb, Cam, meiner Mutter, Maie, Dr. Martinez. Und mit Xarina, die wiederum mit ihrer Mutter.«
»Wann haben diese Anschläge und Verdächtigungen begonnen?«
»Nachdem ich NuYu verlassen hatte.«
»Nein, Princess. Vorher schon.« Cam hob den Kopf. »Seit Bonnie deine Duenna wurde.«
»Und Bonnie ist nicht von allein auf die Idee gekommen, dich kränker zu machen, als du warst. Sie wusste von dem angeblichen Gendefekt, und sie hat Digitalis in ausreichender Menge bekommen, um dich zu vergiften. Von wem? Warum?«
»Von jemandem, der auf hinterhältige Weise meine Mutter daran hindern wollte, für das Amt zu kandidieren. Wäre ich gestorben, hätte sie die Kandidatur zurückgezogen, richtig?«
Cam nickte, Reb ebenfalls.
»Weshalb sie mich im Tempel in Sicherheit bringen wollte.«
»Das
Weitere Kostenlose Bücher