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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Zehenspitzen den Saal. Giannone befahl, die Breitband-Beleuchtung einzuschalten: die Ecke war in blendendes Licht getaucht, ein Gewirr von Rohren, Kabeln, Anzeigegeräten, Karten, Stahlflaschen, Meßgeräten, Himmelssextanten und mit Spinnweben und Staub bedeckten Bleikisten.
    »Ein Schatten!«
    Die Raumfahrer waren alte Weltraumhasen, aber ihre Reflexe und Muskeln waren langsam; da sie seit Jahren an die gemessenen Bewegungen gewöhnt waren, die ihnen die Zwischenräume im Raumschiff auferlegten, dauerte es eine Weile, bis sie sich in Bewegung setzten, und der Schatten hatte Zeit zu verschwinden.
    Giannone trat zu Farrell: »Steigen Sie mit Mancini durch den Schacht der Klimaanlage hinauf und dann durch den Luftabzugsschacht hinunter. Damit gelangen Sie dem Ungeheuer in den Rücken und es sitzt in der Falle.«
    »Dann existiert es also doch.«
    »Das weiß ich nicht. Aber etwas ist vorhanden.«
    »Übertreiben wir doch nicht, Kommandant. Wahrscheinlich ist es nur eine Ratte. Oder ein blinder Passagier. Es wäre nicht das erstemal.«
    »Führen Sie den Auftrag aus, Leutnant!«
    »Zu Befehl.«
    Farrell und Mancini kamen nicht dazu, den Schacht hinaufzuklettern, weil Pierotto, der Chefmaschinist, den Kapitän anflehte, zu ihm zu eilen, zu laufen – der Weltuntergang stünde bevor.
    Im Kommandoraum flackerten alle Alarmlämpchen und alle Geräte meldeten Gefahr. Aber was für eine Gefahr? Das wußte niemand. Die Situation wirkte vollkommen normal, aber als Giannone lauschte, hörte er ein heiseres Geräusch aus dem Laderaum, dann ein gleichmäßiges Pochen, wie ein tropfender Wasserhahn. Der Kommandant strich sich mit der Hand über den Bart und spürte, daß die Luft elektrisch geladen war; die Barthaare prickelten, die Quarzuhren, die Kabel und alle Instrumente vibrierten, die Zeiger auf den Skalen schwankten wie verrückt.
    Giannone war im Begriff, die Selbstbeherrschung zu verlieren. Neben ihm rechnete der schwitzende Pierotte fieberhaft:
    »Kommandant, zwei Triebwerke sind ausgefallen. Ein Ventil ist verstopft, und wir beschreiben eine nicht vorgesehene Parabel.«
    »Das sehe ich. Rufen Sie Farrell und Mancini!«
    Als Pierotto einen Hebel berührte, dessen Isolierschicht beschädigt war, brüllte er auf und hielt sich den Arm.
    »Ein elektrischer Schlag, Kommandant!«
    »Was ist los?«
    »Ein elektrischer Strom! Durch die ›Garibaldi‹ fließt ein elektrischer Strom oder ein anderes Teufelszeug – kurz, wir haben einen Masseschluß!«
    »Unmöglich.«
    »Ich habe schon vorher einen Schlag bekommen. Fragen Sie Rokossowski, wenn Sie mir nicht glauben.«
    Rokossowski war ein hübscher Ukrainer mit weißblondem Haar und Bart. Er war Abteilungsleiter, räkelte sich bequem im anatomischen Liegesitz und rauchte besinnlich seine Pfeife. »Ja, Kommandant«, bestätigte er. »Ich glaube, ich habe die Energiequelle lokalisiert. Sie kommt aus Laderaum G, aber ich kann noch nicht sagen, worum es sich handelt. Sie erinnert mich an eine Synchrotron-Batterie und sendet unbekannte Wellen aus, die elektrischen Entladungen gleichen.«
    »Und seit wann haben Sie das beobachtet?«
    »Eigentlich handelt es sich um einen intermittierenden Energiestrom. Die Strahlung setzt für einige Minuten mehr oder weniger stark ein, dann verschwindet sie wieder.«
    Der Kommandant befahl allen dienstfreien Männern, ihm in Laderaum G zu folgen. Sie machten einen langen Umweg durch Korridore und Fahrstühle, um die Aufenthaltsräume und Passagiere zu umgehen. Aber auf halbem Weg kam ihnen der Chefsteward entgegen, der ein Gesicht machte, als stehe der Weltuntergang unmittelbar bevor.
    »Kommandant, es gibt neue Schwierigkeiten.«
    »Ich habe jetzt keine Zeit für neue Schwierigkeiten.«
    »Die Passagiere haben sich alle im Aufenthaltsraum der ersten Klasse versammelt.«
    »Ausgezeichnet. Dort geben Sie wenigstens Ruhe.«
    »Kommandant, auch die Passagiere aus der Touristenklasse sind oben in der ersten Klasse und wollen nicht ins Zwischendeck zurück.«
    »Lassen Sie sie, wo sie sind! Jetzt ist wirklich nicht der richtige Augenblick, an Vorschriften zu denken.«
    »Aber die Vorschriften sind exklusiv und verbindlich: nur die Passagiere erster Klasse haben freien Zutritt zu allen Räumen des Schiffs.«
    »Das weiß ich, verdammt noch mal! Aber wir haben einen Fremdkörper an Bord, der den ganzen Krempel in die Luft jagen kann. Haben Sie das noch nicht begriffen?«
    »Doch, Kommandant, aber die Vorschriften besagen, daß Sie als oberste Autorität

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