Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
mich durch den Türspalt an, erkennt mich aber offensichtlich nicht. Ihre Augen sind verschlafen und rot umrandet und eine Wolke Doperauch weht mir zur Begrüßung aus dem Apartment entgegen. Wir sind nun schon seit ewigen Zeiten Cousinen. Schön zu wissen, dass sich manches nie ändert.
»Ich bin’s.«
Sie reißt filmreif die Augen auf. »Woah! Rhoda?«
»Die einzig wahre.«
»Scheiiiiße! Seht euch die Haare an! Was hast du mit dir gemacht, Mädchen?«
»Gefällt’s dir?«
»Machst du Witze? Du siehst heiß aus, Mann. Im Ernst.«
Sie löst die Sicherheitskette und winkt mich rein, schwankt leicht auf ihren hohen Absätzen.
Meine Güte, hat sie etwa den ganzen Morgen bis zur Verblödung gekifft? Rauch kräuselt sich in der Luft und versammelt sich in einer Dunstglocke unter der Decke. Aber ich bin erleichtert: Wenigstens redet sie noch mit mir. Ich nehme die Fernbedienung und schalte den Ton des Fernsehers ab.
»Wo hast du die ganze Zeit gesteckt, Rhoda? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie tief du in der Scheiße steckst?«
»Ich versuche seit Tagen, dich anzurufen, Zinzi.«
Sie glotzt mich verständnislos an. »Ach ja. Mein Handy.« Sie kichert. »Ich hab es verloren. Oder jemand hat es geklaut, keine Ahnung.«
»Wann?«
»Ist schon ewig her. Ich weiß nicht. Letzte Woche oder so.«
»Und warum hast du mich nicht angerufen?«
»Ich hab deine Nummer verloren, oder? War auf dem Handy gespeichert. Und das ist weg, also ...« Sie verliert den Faden.
Das Apartment befindet sich in einem noch schlimmeren Zustand als sonst. Grassamen liegen auf dem Boden verstreut, daneben eine Lawine von Rizla-Zigarettenpapier, auf jeder ebenen Fläche stehen überfüllte Aschenbecher und schmutzige Gläser. Nach dem Aufenthalt in Dans Pseudovilla kommt mir Zinzis Bude ziemlich schäbig vor; nur eine Stufe über dem Loch in Handsworth, in dem ich eine Zeit lang gehaust habe. Von nebenan dröhnt ein Bass durch die Trennwände, und der Rauch lässt meine Augen tränen. Ich ziehe die Vorhänge auf und öffne ein Fenster. Der Tag ist heiß und windstill, deshalb hilft es nicht wirklich etwas.
»Aber du siehst cool aus, Mädchen. Wo du auch gewesen bist – es steht dir!« Zinzi lässt sich aufs Sofa plumpsen und dreht sich einen Joint. »Also. Wie heißt er?«
»Wovon redest du, Zinzi?«
»Der Kerl, bei dem du warst, Rho. Ich meine ... sieh dich doch an! Es muss ein Mann sein.« Sie leckt den Rand des Joints an und sucht nach ihrem Feuerzeug. »Aber ich hab mir Sorgen gemacht. Weißt du, ich sag zu Thabo: Vielleicht ist sie entführt worden, wird als Sexsklavin gehalten oder so was. Aber er so: ›Rhoda? Die toughe Braut? Keine Chance. Die kann auf sich selbst aufpassen.‹ Aber du hättest anrufen sollen, Rho. Das wär das Mindeste gewesen.«
»Zinzi, ich habe versucht, dich zu erreichen, du bist die ohne Handy, nicht ich, schon vergessen?« Hoffentlich kommt sie nicht auf die Idee, zu fragen, warum ich mich erst jetzt melde. Aber zum Glück scheint diese logische Überlegung zu komplex für sie zu sein.
Sie zuckt die Schultern. »Egal.« Ihr Gesicht hellt sich auf. »Mann, Rhoda. Das muss ich dir erzählen. Gestern Abend, wir waren völlig zugedröhnt, und Thabo meinte, wir sollten unbedingt mal ins ...«
»Ja, ja, Zinzi«, falle ich ihr ins Wort. Ich will gar nicht wissen, was für Linien sie von dreckigen Klodeckeln geschnieft oder womit auch immer sie ihre beschissene Nacht verbracht hat. »Hör mal, ich muss wissen, was passiert ist, nachdem ich, du weißt schon ... nicht zurückgekommen bin an dem Abend.«
»Passiert?«
»Mit dem Jungen.«
»Ach so. Na, sag du’s mir, Mädchen. Du bist doch diejenige, die sich in Luft aufgelöst hat.« Ich starre sie an, und sie seufzt. »Ich hab doch erst was davon mitgekriegt, als Carlos von Highgate aus angerufen hat, und ich so ...«
»Warte, warte. Wer ist Carlos?«
Sie verdreht die Augen und kichert wieder. Langsam geht sie mir wirklich auf den Keks. »Der Junge, du Depp.«
»Jetzt warte mal. Er hat dich angerufen? Vom Einkaufszentrum aus? An dem Abend, als ich verschwunden bin?«
»Yeah.«
»Du meinst, er ist in Sicherheit?«
»Yeah, natürlich. Irgend so ’n Wachmann hat ihn aufgesammelt.«
»Fuck.« Mir wird fast schwindelig vor Erleichterung. Ich lehne mich zurück und atme tief und ruhig durch.
»He«, sagt Zinzi. »Alles okay?«
»Ja. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich mir für Sorgen um ihn gemacht habe.«
Wieder kichert sie. »Ganz ruhig,
Weitere Kostenlose Bücher