Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
meine Lunge, wie ich nur kann, und lasse mich unter die Wasseroberfläche sinken.
Es kann nichts mehr herauskommen. Absolut unmöglich.
Dan wartet, bis ich mit Kotzen fertig bin, bevor er etwas sagt. Er hält mich unter den Armen fest, während ich schwer darum ringe, genug Luft zu bekommen. Wieder würge ich, und fauliges Wasser schießt mir in den Mund. Es schmeckt nach alten Tümpeln und erinnert mich an tote, verweste Kreaturen am Straßenrand, und ich merke, dass ich schon wieder vor mich hin plappere und heule. Noch nie hat mich jemand so wehrlos erlebt, bis auf einmal, aber da ging es gar nicht anders.
»Bist du okay?«, erkundigt er sich.
Ich will mir ein Nicken abringen, aber meine Augen laufen über und meine Kehle fühlt sich an wie Sandpapier. Und das ist noch gar nichts im Vergleich zu dem Schweißbrenner in meinen Lungenflügeln.
»Du hast dich ganz gut geschlagen«, lügt er.
Ich bin in Panik geraten, lange bevor meine Füße den Boden des Schachtes erreichten, und hätte Dan mich nicht rückwärts durch den unterirdischen Tunnel geschleppt, ich hätte wahrscheinlich genug Wasser geschluckt, um einen ganzen Swimmingpool damit zu füllen.
Endlich bekomme ich ausreichend Luft in die Lunge. Mein Kopf wird klarer, meine Atmung gleichmäßiger, und allmählich nehme ich noch andere Begleiterscheinungen wahr: Auch mein Rücken brennt, weil ich über den Boden des Tunnels geschleift wurde, und mein Ellbogen, mit dem ich gegen die untere Leitersprosse geschlagen sein muss, tut höllisch weh.
Ich merke, dass Dan mich immer noch festhält, und winde mich aus seinem Griff.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragt er.
»Yeah«, antworte ich.
Es gibt einen Augenblick äußerster Peinlichkeit, bis ich mich auf Hände und Knie hochgestemmt habe. Ich gestatte mir einen weiteren Hustenanfall, dann mache ich eine Bestandsaufnahme unserer Umgebung. Wir befinden uns auf einem Sims neben einem unterirdischen Abwasserkanal, der durch einen gewölbten Backsteintunnel fließt. Hinter uns befindet sich eine stabile Wand und vom Ende des Tunnels dringt ein schwaches Licht zu uns, aber selbst von hier kann ich erkennen, dass es kein Tageslicht ist, sondern ein kränklich gelbes Leuchten.
Trotzdem regt sich in mir die schwache Hoffnung, dass wir in einem Hauptkanal gelandet sind und irgendwo in der realen Welt herauskommen. Meine Sinnesorgane funktionieren jetzt wieder halbwegs und der ekelhafte Gestank des Wassers dringt mir in die Nase. Die Oberfläche der Brühe schimmert schmierig, als sei sie von einer dünnen Schicht Speiseöl bedeckt. Etwas treibt darin und stößt immer wieder leicht gegen die Wand. Es ist unschwer als abgetrennte Hand einer Schaufensterpuppe zu erkennen, die Finger zur Faust geballt. Ein Metallknochen ragt aus dem Handgelenk.
»Wir haben es geschafft, Rhoda«, sagt Dan.
»Ja.« Ich ringe mir ein Lächeln ab und bekomme einen weiteren Hustenanfall.
»Und sieh nur! Wir sind wieder in einem Tunnel.«
»Na, Gott sei Dank«, huste ich. »Ich hab schon angefangen, sie zu vermissen.«
Dan lacht, aber es ist ein gebrochener Laut der Erleichterung, frei von jedem Humor.
»Ich sag dir was, Dan. Hier kann der Junge auf keinen Fall vorbeigekommen sein.«
»Ja. Aber weißt du noch, was in der SMS stand? ›Ohne bist du verloren.‹ Wir haben den Markt verpasst.«
»Ich kann nicht behaupten, dass ich besonders traurig darüber bin.«
»Bestimmt haben sie damit gemeint, dass wir uns verlaufen, wenn wir den Markt verpassen. Also nehme ich an, dass der Junge, falls er denn nach hier unten gekommen ist, einen anderen Weg durch den Markt genommen hat.«
Einen Weg, über den ich lieber nicht nachdenken möchte. »Und dieses Ding? Glaubst du, es ist uns nach hier unten gefolgt?«
»Das hoffe ich nicht!«
»Wohin jetzt?«
»Wir haben keine große Wahl«, sagt Dan. Er hat recht. Wir können dem Weg neben dem Kanal folgen und sehen, wohin er führt – oder wir kehren um. Und im Moment würde ich lieber sterben, als diese Scheißleiter hinaufzusteigen. »Sollen wir weitergehen?«
Er hält mir die Hand hin, um mir aufzuhelfen.
»Ich fühle mich wie eine alte Frau«, stöhne ich und zucke zusammen, als ich meine Arme und Beine strecke.
»Ja, ich weiß, wie du ...«
Wir springen beide zurück, als das Wasser neben uns unerwartet blubbert und schäumt. Adrenalin schießt so heftig durch meine Adern, dass ich es fast schmecken kann, und dann rennen wir Hals über Kopf den Sims neben dem Kanal entlang. Unsere
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