Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
haben, als wir aus dem Aufzug gestürmt sind, aber ich habe auch nicht darauf geachtet. Ich war zu hysterisch vor Erleichterung, um an etwas anderes zu denken. Und die Erwähnung der Toiletten erinnert mich daran, dass ich ganz dringend pinkeln muss.
»Komm«, sage ich.
»Hm? Wo willst du hin?«
»Sehen, ob ich ein Telefon finde. Und ein Klo!«
»Ich will nicht dahin zurückgehen, Rhoda«, jammert er.
»Ich gehe nicht zum Aufzug, Dan. Außerdem haben wir die Tür blockiert. Dieser Irre hat also keine Möglichkeit, zu uns hochzukommen.«
»Glaubst du immer noch, dass es ein Wahnsinniger ist?«
Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Ich weiß nur, dass ich im Moment nicht darüber nachdenken will. Und außerdem – auch wenn mein Magen mir sagt, dass hier irgendwas nicht stimmt, ist mein Kopf immer noch ganz benommen vor Erleichterung über die Normalität unserer Umgebung.
»Was auch immer. Meinetwegen kannst du weiter hier rumhängen, wenn du willst, aber ich geh jetzt nachsehen.«
Entschlossen marschiere ich los. Ich warte nicht ab, ob er mir folgt, aber kaum bin ich zehn Meter gegangen, höre ich das Patschen seiner Schuhe hinter mir.
Wir kommen an Geschäften vorbei, die alle mit den gleichen Metallgittern gesichert sind. Die Schilder über den verrammelten Fenstern sind eins so grellbunt wie das andere und ähnlich skurril beschriftet: ›Tackertempel‹, ›Blut, Schweiß und Strähnen‹ oder ›Dia beat es‹. Dan wird langsamer, als wir den Punkt erreichen, an dem die vier Passagen aufeinandertreffen. Am Ende der Passage zu unserer Linken steht der Fahrstuhl immer noch weit offen, der leere Einkaufswagen, mit dem wir die Tür blockiert haben, befindet sich an seinem Platz.
»Siehst du, Dan? Alles cool. Du hast es selbst gesagt: Wir sind sicher.«
Er will mich anlächeln, aber es misslingt ihm kläglich.
Die Passage vor uns endet in einer verriegelten Sackgasse, also wende ich mich nach rechts – der letzten verbliebenen Option zu. Die Läden in diesem Bereich sind ebenfalls verrammelt, aber bei ihnen hängen nicht diese schreienden Schilder über den Fenstern.
Dan hält mich hinten am T-Shirt fest. »Warte, Rhoda!«
»Was ist?«
»Da.«
Ein enger Korridor zweigt nach rechts ab. Er ist düster und endet vor einer Backsteinwand. Es ist nirgends ein Telefon in Sicht, aber auf halbem Weg befinden sich zwei Türen gegenüber voneinander in der Wand. Ich folge Dan in den Gang.
»Was soll das denn?«, fragt er.
Beide Türen sind mit Toilettenschildern gekennzeichnet, aber solche habe ich noch nie gesehen. Auf dem Schild über der Herrentoilette ist die Silhouette eines Mannes abgebildet, der einen riesigen stilisierten Penis über ein Urinal hält. Das Schild an der gegenüberliegenden Tür zeigt eine grotesk fette Frau, die über einer viel zu kleinen Toilettenschüssel balanciert. Wären sie nicht so akkurat gedruckt, man hätte sie für Graffiti im Banksy-Stil halten können.
»Scheiß drauf«, erwidere ich. »Ich hoffe nur, dass nicht abgeschlossen ist. Ich muss jetzt wirklich ziemlich dringend.« Ich rüttle an der Tür der Damentoilette und sie öffnet sich knarrend. »Gott sei Dank. Bis gleich.«
Dan nickt und verschwindet im Männerklo.
Heilige Scheiße.
Wer auch immer diese Damentoilette gestaltet hat, wird ganz sicher keinen Preis für unaufdringliches Design gewinnen. Es ist, als ob man in eine geflieste Gebärmutter spaziert – alles ist rosa, sogar die Toilettenschüsseln, das doppelte Waschbecken und die Kabinentüren. Die Wasserhähne sind vergoldet und wie Schwanenhälse geformt, und selbst der Tamponspender ist rosa. Überall sind Spiegel aufgehängt, unter anderem einer, der sich über die gesamte Breite der gegenüberliegenden Wand erstreckt. Er zeigt mir ein ausgemergeltes, schmuddeliges Skelett mit großen Augen und einer viel zu weiten Hose. Aber jetzt, da ich hier bin, hält meine Blase es keine Sekunde länger aus. Alle Kabinentüren, mit Ausnahme einer ganz am Ende der Reihe, haben Überbreite, als seien sie für Rollstuhlfahrer ausgelegt. Ich entscheide mich für eine Kabine in der Mitte und die Erleichterung ist überwältigend.
Ich drücke die Spülung und wappne mich für eine weitere Ohrfeige des Spiegels.
Beim zweiten Mal ist es sogar noch schlimmer. Das Wasser in der Kanalisation muss dreckiger gewesen sein, als ich dachte. Mein graues T-Shirt hat eine stumpfe braune Färbung angenommen, und auf meiner Armeehose prangen überall rostfarbene Flecken. Wie
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