Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
dich zusammen! Du musst etwas sagen. Du spielst ein Spiel. Sie warten auf Input. »Suchen Sie was aus«, rufe ich zurück.
Eine Minute später kehrt Colt mit einem Tablett zurück, das mit überdimensionalen Bechern und Pappschachteln beladen ist. Sie findet einen Tisch und wir setzen uns. »Ich wusste nicht, ob Sie XXL oder 3XL wollten, also habe ich 3XL genommen. Ich hoffe, das ist okay? Ich bin das Mästen so leid, darum habe ich heute XXL genommen. Außerdem tun meine Zähne weh. Ich habe noch nicht alle ersetzen lassen.« Sie nuckelt an ihrem enormen Brausegetränk. »Autsch. Es heißt, diese SugarGas-Drinks sind so süß, dass einem sogar die Milchzähne wehtun!«
Ich hieve meinen Zweiliterbecher vom Tablett und nehme einen Schluck. Es schmeckt wie purer Coke-Sirup, als hätte man das Wasser vergessen, dafür aber zu viel Kohlensäure hinzugefügt. Das Zeug blubbert klebrig meinen Rachen hinunter. Ich sehe einem schweren Tropfen zu, wie er dickflüssig an der Seite von Colts nur unwesentlich kleinerem Becher hinunterläuft.
Sie unterhält sich mit mir. Sie ist meine Verbündete. Ich brauche jede Hilfe, die ich kriegen kann. Ich benötige Informationen. Ich muss etwas sagen. »Also, wenn Sie mich fragen, dann stimmt das auch.«
»Oh, na ja, es ist irgendwie meine eigene Schuld. Ich sollte längst kompletten Ersatz haben, aber ich bin einfach zu faul gewesen.«
Getreu meiner Strategie, Colt auf meiner Seite zu halten, mache ich es ihr nach, als sie ihren Burger auspackt. Was sie hat, sieht aus wie ein doppelter Big Mac, während meiner noch einmal doppelt so breit und hoch ist. Er ist in vier Schichten belegt. Das Brötchen sieht okay aus, aber die vier tellergroßen Buletten bluten. Es läuft nicht nur roter Saft aus ihnen heraus, sie bluten . Rhythmisch spritzt dickes, warmes Blut heraus, als ob das Herz noch schlägt. Die riesigen, fetten Mayonnaiseklumpen riechen verdorben, nach verfaulten Eiern und moussierter saurer Milch. Ich beuge mich näher heran und hebe die obere Brötchenhälfte. Ein Blutspritzer schießt mir ins Auge.
»Haha«, trällert Colt. »Vorsicht! Essstörungen!«, als sei das ein alltägliches Missgeschick, so als würde man sich mit einer geschüttelten Coladose bespritzen. »Ich habe Ihnen einen Fat Big Number Two mitgebracht. Ich hoffe, das ist okay. Dabei weiß ich gar nicht, ob Sie mästen. Es ist immer etwas heikel, so etwas zu raten, nicht wahr?«
Informationsbrocken Nummer Eins: Was zum Henker ist ›Mästen‹? »Mästen denn viele Leute hier?«, frage ich, lege meinen Burger zurück und wische mir die Hände an der Jeans ab. Ich habe Hunger. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal etwas gegessen habe. Aber dieses Fleisch kann ich nicht in meinen Mund stecken. Ich probiere ein Pommesstäbchen. Es ist okay, ein bisschen salzig vielleicht. Ich stopfe mir eine Handvoll davon in den Mund.
»Ach, jeder! Entweder das oder Hungern-und-Amputieren. Wenn man so aussieht wie ich, ist der Druck groß, sich eine Figur wie in den Zeitschriften zuzulegen. Wenn man sich nicht mindestens einmal im Monat auf die Station einweisen lässt, dann ist es fast, als stimmt was nicht mit einem. Ich probier’s ja, ehrlich, aber manchmal kümmere ich mich einfach zu wenig darum. Und ich habe mich auch ans Management gewöhnt.« Sie verstummt und nimmt einen großen Bissen von ihrem Burger; Blut läuft ihr aus dem Mund und färbt die durchscheinende Haut ihres Halses rot.
Management. Wichtige Hauptfigur. Ich muss so viele Informationen wie möglich darüber sammeln. »Was meinen Sie damit?«
Sie kaut eine Weile, dann antwortet sie mit halb vollem Mund: »Das Management kann ganz schön lästig sein. Das müssten Sie doch mittlerweile wissen. Mal sehen ...« Sie holt ihr Gel-Handy aus der Tasche und scrollt durch einige Textmitteilungen. »Lesen Sie diese Signale.« Sie reicht mir das Gerät.
Ich nehme ihr den Gelklumpen ab. Ihre eiskalten Finger streifen meine Hand, dann lehnt sie sich zurück und nimmt entschlossen ihren Burger in Angriff. Ich bin einen Moment mit ihrem Handy allein. Offenbar ist ein solches Telefon ein unverzichtbares Utensil; ich sollte mich also damit vertraut machen. Als sie es mir reicht, passt sich das Teil selbsttätig meiner Hand an. Es fühlt sich trocken an und schmiegt sich mit seinem matten Glanz an meine Handfläche wie ein straff gespannter Muskel, der sich bei meiner Berührung plötzlich entspannt. Als ob ich ein lebendes Herz halte. Die Blau- und Türkistöne
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