Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
völlig wehrlos. Ach, scheiß drauf! Was kann schlimmstenfalls passieren?
Ich meine: Wie soll es denn, bitte schön, noch schlimmer werden?
Die Schreie reißen mich aus dem Schlaf.
Mit klopfendem Herzen springe ich aus dem Sitz und stolpere in meiner Panik fast über meine eigenen Füße. Doch dann dämmert mir, dass die Schreie aus den Lautsprechern dringen – sie gehören zum Film. Und es sind keine menschlichen Schreie. Es ist der Laut eines Tiers, das entsetzliche Schmerzen leidet.
Auf der Leinwand wird Bambis Mutter gerade ausgeweidet. Gesichtslose Jäger mit schroffen Stimmen schlitzen mit gebogenen Jagdmessern ihre Seite auf, ziehen ihr die Haut ab und holen die Eingeweide heraus. Die Tatsache, dass die Szene eine Computeranimation ist, macht das ganze Blut und den Horror nur noch eindringlicher und ekelerregender. Großer Gott. Ich sinke auf meinen Sessel zurück. Auf der Leinwand humpelt das kleine Kitz davon und bricht unter einem Busch zusammen. Es folgt eine Einblendung von Herbstlaub, das der Wind von den Zweigen weht – wohl, um das Vergehen der Jahreszeiten zu symbolisieren –, dann von Schneeflocken, die auf Bambis Körper sinken. Das Rehkitz starrt glasig in die Kamera. Seine Rippen zeichnen sich unter dem Fell ab, und es ist nicht zu übersehen, dass es kurz vor dem Erfrieren steht.
Ich kann mir das nicht länger anschauen. Dieser Ort, diese Welt, diese Realität – was zur Hölle es auch immer ist – ist völlig durchgeknallt. Krank. Pervers. Ich muss tun, wozu die Stimme in meinem Kopf mir geraten hat: zurück zum Parkdeck gehen und zur anderen Tür durchstarten. Dan finden und ihn warnen, dass wir hier ernsthaft in der Scheiße stecken.
Fuck!
Der Soundtrack ist viel zu laut, das Orchester brüllt die traurige Bambi-wird-gleich-sterben-Musik heraus, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich gerade gehört habe, wie hinter mir jemand knirschend Popcorn isst.
Ich verhalte mich so still, wie ich kann, wage kaum zu atmen.
Dann höre ich es wieder – das unverkennbare Knistern und Knacken von jemandem, der sich den Mund mit Popcorn vollstopft.
Um nichts in der Welt möchte ich mich jetzt umdrehen.
Aber mir bleibt keine andere Wahl.
Ich stehe auf und wende mich langsam zu den hinteren Reihen des Kinos um. Ich sehe die Silhouette von jemandem (oder etwas ) drei Reihen hinter mir. Sein Gesicht kann ich nicht erkennen, aber etwas stimmt mit dem Kopf nicht. Er scheint zu groß für seinen Körper zu sein; eine aufgeblähte, nicht-menschliche Form auf einem viel zu dünnen Hals. Die Silhouette erinnert in erschreckender Weise an das Schild an dieser Kabinentür in der rosafarbenen Barbie-Toilette.
Ohne die Augen abzuwenden, gehe ich langsam rückwärts stolpernd auf dem abwärtsführenden Boden, bis mein Rücken die Leinwand berührt. Aus den Augenwinkeln nehme ich zu meiner Rechten eine Bewegung wahr. Der Teppichboden hebt sich, dann öffnet sich eine quadratische Klappe im Boden und fällt mit einem dumpfen Schlag zur Seite. Darunter gähnt ein schwarzes, bodenloses Loch. Eine Hand erscheint, gefolgt von einem Kopf. Im flackernden Licht der Leinwand erkenne ich schmuddelige Dreadlocks. Unsere Blicke treffen sich, und er winkt mich hektisch zu sich.
Verdammt! Was soll ich tun?
Mein Handy piept. Benommen und ganz automatisch greife ich in meine Tasche und hole es heraus.
Die Nachricht lautet: hey! Rhoda alte Schwedin. Keine Zeit für Tagträume wenns ans Shoppen geht. Komm schooon du weißt doch dass du dir die Schnäppchen nicht entgehen lassen willst!!! LOL!!!!!!!
Das Ding mit dem unförmigen Wasserkopf steht auf und schiebt sich seitwärts durch die Sitzreihe auf den Gang zu. Die Filmmusik schwillt in einem Crescendo an. Dreadlocks streckt mir die Hand entgegen.
Scheiße.
Ich greife danach.
Kapitel 16: DANIEL
Hinter mir ertönt ein schwaches Paff wie von einem feuchten Feuerwerkskörper, und auf dem Fenster des Reisebüros neben mir breitet sich ein Spinnennetz aus. Mein Gott, der Typ meint es wirklich ernst!
Ich sprinte in Richtung Eingang 1, möglichst viele Haken schlagend, damit der Admiral nicht sauber auf mich zielen kann. Arschloch! Der schießt auf mich!
Verdammt. Eingang 1 ist immer noch blockiert. Sie müssen vergessen haben, das Sperrgitter hochzuziehen, denn die Geschäfte haben jetzt alle geöffnet und die Abriegelung scheint damit offenbar beendet zu sein. Shit. Also weiter zu Eingang 7. Ich werfe einen Blick über die Schulter. Der Admiral biegt gerade um die
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