Labyrinth der Spiegel
Weile gespielt. Meiner Ansicht nach verläuft es völlig ruhig und abgeklärt. Du stolzierst mit einer Tasse Kaffee in der Hand in einer prächtigen Stabsuniform und umgeben von beflissenen Adjutanten herum und sagst: »Wie sieht’s aus, sollten wir vielleicht eine Thermonuklearbombe auf Los Angeles werfen?«
Im letzten Jahr hat sich das Spiel ein wenig verändert, jetzt muss man als Leutnant anfangen, der bei verschiedenen taktischen Gefechten das Kommando über einen kleinen Trupp hat, sich ansonsten jedoch fremden Befehlen unterordnet; erst mit der Zeit steigt man zum Oberbefehlshaber des eigenen Landes auf. Militärputschs, Verrat und Partisanenkriege »gegen alle« sind dazugekommen. Keine Ahnung, wahrscheinlich ist das Spiel damit spannender. Aber mir gefielen die alten Regeln besser.
Mortal Kombat ist noch schlichter. Es ist im Grunde nicht mehr als eine Prügelei im virtuellen Raum. Du wählst dir unter den Hunderten von vorgefertigten Avataren einen aus oder designst dir selbst einen und nimmst an einem mehrtägigen Turnier teil, bei dem es darum geht, wer gegen den Oberschurken, der die ganze Welt versklaven will, antreten darf. Dieses Spiel ist extrem effizient. Nirgendwo sonst baust du unverströmten Schweiß und negative Gefühle so gut ab wie in den düsteren Arenen von Mortal Kombat, wenn du deinem Gegner die Ferse in die Stirn rammst oder ihn mit Zaubern ausschaltest. Es ist ein gutes Spiel. Ich spiele es ein-, zweimal im Monat, aber es gibt auch Fans, die stecken ständig in irgendwelchen Duellen. Angeblich lernst du ganz anständig zu kämpfen, sofern du keinen exzessiven Gebrauch von der Magie machst, die ja in der Realität bekanntlich nicht zur Verfügung steht. Ich hab da so meine Bedenken. Ein »Schlag«, den du nur mit Hilfe eines Sensoranzugs spürst, ist eine Sache – eine reale Metallstange im Straßenkampf eine andere.
Und dann ist da Doom. Jenes Spiel, mit dem das virtuelle Zeitalter begann.
Heute heißt es schlicht und ergreifend Labyrinth des Todes, eben weil es sich dabei tatsächlich um ein Labyrinth mit fünfzig Levels handelt, die in Gebäuden, Kellern und in den Straßen von Twilight City liegen, einer Megapolis, die von einer außerirdischen Zivilisation erobert wurde. Eine Tiefe in der Tiefe , ein Raum im Raum. Mit seinen eigenen Gesetzen und Regeln.
Das Spiel beginnt mit dem ersten Level, einem halbzerstörten Bahnhof, zu dem der Spieler auf einer Draisine
gelangt, lediglich mit einer Pistole bewaffnet. Auf dem Bahnhof tummeln sich Monster, also ehemalige Bewohner von Twilight City, und andere Spieler. Wer von ihnen gefährlicher ist, lässt sich schwer sagen. Die Monster sind besser bewaffnet, die Spieler aber schlauer als die Maschinen, logisch. Im Bahnhof kriegst du Waffen, eine Schutzausrüstung, ein MedKit und Proviant. Wenn du den Bahnhof wieder verlässt, landest du im zweiten Level, auf einer Autobahn voll abgestellter Autos – und natürlich voller Monster und Spieler. Um zu gewinnen, musst du dich bis zum fünfzigsten Level durchschlagen, einer alten Kirche im Stadtzentrum, und den Prinzen der Außerirdischen töten. Das ist gar nicht so einfach. Einmal habe ich es bis dahin geschafft, seitdem ist das Labyrinth jedoch mehrfach aktualisiert worden, es sind neue Gebäude, neue Waffen und neue Monster hinzugekommen. Und neue Spieler, klar, echte Junkies, die sich ein Leben ohne Schießereien in den Straßen von Twilight City gar nicht mehr vorstellen können.
Es ist ein interessantes Spiel. Vor allem, weil man in permanentem Kontakt mit anderen Leuten steht. Du kämpfst nicht auf Leben und Tod wie bei Mortal Kombat, tauschst keine diplomatischen Schreiben und Drohungen aus wie bei C & C, sondern bist auf echte Kommunikation angewiesen. Darauf, Bündnisse zu schließen, Vereinbarungen zu treffen, kleine Verschwörungen im Alltag auszuhecken …
Was also konnte Ungewöhnliches im Labyrinth passiert sein?
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Die Administration vom Labyrinth des Todes ist in einem Haus mit rosafarbenem Kalksteinputz am Rand von Deeptown untergebracht. Das einstöckige Gebäude sieht friedlich und gemütlich aus, erinnert eher an ein Wohnhaus als an ein Verwaltungsgebäude. In solchen Häusern leben amerikanische Familien mit mittlerem Einkommen. Der Eingang zum Labyrinth liegt etwas weiter hinten und sieht schon wesentlich imposanter aus. Bereits vom Garten aus mustere ich den Security-Typen vor der Tür. Er trägt einen Camouflageoverall, die Standarduniform der Spieler,
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