Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
Vom Netzwerk:
Peripherie wurde ein Gerät entfernt!«, teilte mir Windows Home erschrocken mit. »Ljona, überprüfe den Anschluss des Sensoranzugs!«

    »Break!«, befahl ich. Ich reckte mich und stand auf.
    Der Anzug hatte eine Wäsche nötig.
    Ich ging ins Bad, zog mich aus und stellte mich unter die Dusche. Eine halbe Minute ließ ich mir die kräftigen Strahlen aufs Gesicht prasseln. Anschließend schnappte ich mir den Sensoranzug vom Boden, bewaffnete mich mit einem Stück Kernseife und reinigte das Ding.
    So gingen teure Sachen normalerweise kaputt: Weil du zu faul warst – oder es dir peinlich war –, sie in die chemische Reinigung zu bringen.
    Nachdem ich den Anzug so gut wie möglich gewaschen hatte, hängte ich ihn auf einen Bügel, den ich an einem Haken über der Wanne befestigte. Das Wasser strömte herab. Das Ding zu waschen war schon Wahnsinn, aber es auszuwringen hätte bei den Hunderten von Drähten, Sensoren und Drucksimulatoren sein Ende bedeutet. Im Grunde konnte ich ohnehin nur darauf hoffen, dass Philipps seinen guten Ruf zu Recht hatte. Vielleicht hatten sie ja sogar den russischen Schlendrian berücksichtigt.
    Mein alter Sensoranzug kam aus China und war immer noch ganz anständig. Er fristete sein Dasein im Schrank. Eigentlich hatte ich ihn verkaufen wollen, dann aber nie die Zeit gefunden, ihn ins Netz zu stellen. Jetzt war ich natürlich froh darüber.
    Ich zog mir das bunte Ding an und lief durchs Zimmer. Alles okay. Er war zwar ein bisschen klein, kniff aber nicht. Ich fing sogar an, fröhlich vor mich hinzupfeifen.
    Vika hatte da wirklich etwas zusammenfantasiert, mehr nicht. Ich war in dem Moment einfach nicht kritisch
genug gewesen. Das Netz, das war nichts anderes als Hunderttausende von Rechnern, die an Telefonleitungen angeschlossen waren! Und die virtuelle Welt spielte sich einzig und allein in unserem Bewusstsein ab.
    Kein Pentium konnte einen elektronischen Verstand hervorbringen!
    Das würde mir jeder Profi bestätigen – falls er nicht längst die Schnauze voll davon hatte, derart blöde Hypothesen zu widerlegen.
    Sobald ich den Anzug an die Schnittstelle anschloss, teilte mir Windows Home mit: »Neue Hardware gefunden. Soll sie installiert werden?«
    »Ja.«
    Mein anderer Anzug würde erst in drei Tagen trocken sein, besser, Windows Home installierte den alten.
    »Bewegungssensoren … der Test ist abgeschlossen … Drucksimulatoren … der Test ist abgeschlossen … Energieverbrauch … der Test ist abgeschlossen … kritische Überbelastung … der Test ist fehlgeschlagen! Achtung, dieses Modell eines Sensoranzugs entspricht nicht den aktuellen Sicherheitsbestimmungen! Bei virtuellen Kontakten kann es zu Problemen kommen! Daher wird empfohlen …«
    »Setz den Test fort!«, befahl ich. Alle Modelle aus China hatten dieses Manko, das aus Sicht der Westeuropäer und Amis inakzeptabel war. Falls mich im virtuellen Raum eine Betonplatte erschlagen würde, könnte es zu einer heftigen Energiereaktion kommen und mein Körper ein paar blaue Flecke davontragen. Ehrlich gesagt, machte ich mir deswegen keine allzu großen Sorgen.

    »Alle Tests sind abgeschlossen. Es wird empfohlen, die Installation der Hardware abzubrechen.«
    »Installiere die Hardware!«, verlangte ich und setzte mir den Helm auf.
    »Bist du sicher?«, fragte Windows Home.
    »Ja.«
    »Die Hardware wurde installiert«, teilte mir das Programm betrübt mit.
    Deep.
    Enter.
    Der Wind ist stärker geworden. Zitternd trete ich vom Abhang zurück. Mein Haar ist feucht, hier rumzustehen ist nicht gerade angenehm.
    Schon gar nicht allein.
    Ich gieße mir etwas Glühwein aus der Thermoskanne ein, nur ein paar Schluck, um warm zu werden. Wir würden noch einmal hierherkommen, Vika und ich. Ich hoffe sehr, dass es ihr hier gefallen hat. Es gibt nicht so viele Orte in der virtuellen Welt, die mir rundum gut gefallen.
    »Bis bald«, verabschiede ich mich vom Fluss, dem Wind und dem Herbstwald und gehe zum Ausgang.
    Wenn ich den Weg zum Labyrinth zu Fuß ginge, dann könnte ich die restliche Zeit überbrücken.
    Dann wären die sechs Stunden von Anatole und Dick um.
    Und irgendwie bin ich mir sicher, dass die beiden es nicht geschafft haben, den Loser zu retten.

1010
    Kaum betrete ich das dreiunddreißigste Level, erblicke ich Anatole, der auf dem Rasen liegt. Mein erster Gedanke ist: Nobody is perfect. Doch da hebt Anatole den Kopf und winkt mir zu.
    Der Loser ist auch da, hockt wie gehabt in seiner Ecke.
    »Hey, Revolvermann!«

Weitere Kostenlose Bücher