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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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Anatole hat nicht die geringste Absicht, die horizontale Lage gegen die vertikale einzutauschen. »Komm her!«
    Ich setze mich neben ihn und sehe ihn fragend an.
    »Wir wollen diese …« Anatole nickt Richtung Loser. »… diesen Auftrag zurückgeben.«
    Ich schweige. Soll er erst mal sagen, was er zu sagen hat.
    »Ich glaube nicht an so was wie Karma«, fährt Anatole fort. »Wenn du einen Menschen bis zum Ausgang bringst, und zwar so vorsichtig, als sei er eine Kristallvase, und er dann verreckt, heißt das, er will es selbst.«
    »Und jetzt?«
    Anatole senkt die Stimme und flüstert: »Du hast bestimmt gute Gründe, warum du ihn retten willst. Also versuch es! Etwas sollte dich jedoch stutzig machen. Er ist
bereits seit zwei Tagen in der Tiefe . Hast du je von einem solchen Fall gehört?«
    »Ja.«
    »Du meinst, du hast von jemandem mit heiserer Stimme gehört, der dumm glotzt, sich wie ein Roboter bewegt und der nichts versteht, bevor du es ihm nicht dreimal erklärt hast? Oder?«
    Ich sehe zum Loser hinüber.
    »Aber er isst und trinkt. Er geht aufs Klo. Er weiß, was um ihn herum passiert.« Anatole richtet sich auf und hockt sich hin. »Revolvermann, dieser Junge hält uns alle für Idioten. Entweder ist er im Auftrag der Direktion hier, um zu testen, wie gut wir arbeiten, oder er ist genau wie du und ich ein Diver. Oder beides zugleich.«
    Was soll ich darauf antworten? Natürlich hat Anatole Recht. Logisch betrachtet kann es keine andere Erklärung geben. Allerdings habe ich in letzter Zeit ein paar Probleme mit dem, was als logisch und normal gilt.
    »Crazy Tosser ist zur Direktion gegangen«, informiert mich Anatole. »Entweder werden die zugeben, dass sie unsere Fähigkeiten testen wollten, oder sie hören auf, von uns etwas Unmögliches zu verlangen.«
    »Sie werden zu dem Schluss kommen, dass der Loser ein Diver ist«, erwidere ich.
    »Dann wäre das geklärt!«
    »Aber das ist eine sehr bequeme Lösung, Anatole. Ein Spaßvogel von Diver, der sich über die Vergnügungsindustrie und über seine Kollegen lustig machen will, schön und gut. Nur was sollte das bringen? Würde die Direktion wegen einer solchen Lappalie vielleicht das Labyrinth schließen?«

    »Ich habe ihn durch das ganze Level geschleift«, berichtet Anatole müde. »Im Spiegelsaal habe ich alle Gardisten erschossen.«
    Ich nicke. Mit seiner Ausrüstung und Erfahrung ist das gut möglich.
    »Weißt du, was dann passiert ist?« Wut mischt sich in seine Stimme. »Er hat das Gewehr fallen lassen. Das Ding geht los – und er fängt sich einen Kopfschuss ein!«
    Ich schweige. Was sollte ich darauf auch erwidern?
    Der Loser will das Level offenbar nicht verlassen.
    »Ich bin völlig fertig!« Anatole spuckt aus. »Allein der Anblick von diesem Blödmann geht mir schon auf den Sender! Und ich habe die Schnauze gestrichen voll davon, ihn zu retten!«
    »Für all das gibt es bestimmt eine vernünftige Erklärung, Anatole!«
    »Mhm, und ich kann dir sogar sagen, welche! Er will, dass wir vor die Tür gesetzt werden! Damit er unsere Stelle einnehmen kann! Allein oder zusammen mit einem Kumpel. Zum Beispiel zusammen mit dem, der es dann doch schafft, ihn hier rauszuholen!«
    Er sieht mich offen an, doch ich senke den Blick nicht. »Willst du behaupten, ich spiele ein doppeltes Spiel?«
    Diver verraten andere Diver nicht. Dazu gibt es zu wenige von uns. Genau deshalb haben wir unseren Kodex ausgearbeitet und treffen uns dreimal pro Jahr, obwohl wir sonst hypervorsichtig sind und uns gegenseitig misstrauen.
    Wenn wir Diver in Deeptown einen Streit vom Zaun brechen würden, dann würde das ganze Netz darunter
leiden. Aber etwas Wichtigeres als das Netz gibt es nicht. Das im Übrigen auch ohne einen Streit von uns Divern schon genügend Feinde in der realen Welt hat.
    »Ich weiß es nicht.« Jetzt meidet Anatole meinen Blick. »Nein, wahrscheinlich nicht. Sorry. Aber in dem Fall erlaubt sich jemand einen Scherz mit dir! Von wem hast du den Auftrag, den Loser zu retten?«
    »Wie bereits gesagt, von einer anonymen Person. Ich habe die Koordinaten von diesem Typen, aber ich fürchte, das ist eine Adresse, die er nur einmal benutzt hat und die verdammt gut gesichert ist.«
    »Kann dieser anonyme Kerl ebenfalls ein Diver sein?«
    Ich zucke die Achseln.
    »Na logisch ist er das! Wir sind bereits gescheitert. Du hast zwar das ganze Labyrinth in Aufruhr versetzt, aber letzten Endes wirst du auch einen Reinfall erleben. Daraufhin betritt der große Retter die

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